Geballtes Baustoffwissen an einem Tag: 12. Baustoff-Technik-Tag
Filderstadt: Baustoffe werden laufend angepasst: Neue Technologien und Anforderungen machen sie nachhaltiger, beständiger oder ergiebiger. Dieses Baustoffwissen weiterzugeben, ist das Ziel des Baustoff-Technik-Tags des Industrieverbands Steine und Erden Baden-Württemberg e.V. (ISTE). Dieser fand am 7. Februar 2023 bereits zum zwölften Mal statt. Dabei waren etwa 60 Verantwortliche der Bau(stoff)wirtschaft. Sie hörten an diesem Tag sieben Vorträge zu drei Themenblöcken: Straßenbau und Regelwerke, Innovationen und Anwendungen sowie Nachhaltigkeit und Digitalisierung.
Nach zwei digitalen Formaten im Jahr 2020 und 2021 freute sich Oliver Mohr, Vizepräsident des ISTE und Vorsitzender des Ausschusses für Umwelt- und Rohstoffpolitik über die rege Beteiligung in Präsenz in der Filharmonie in Filderstadt: „Die Herausforderungen beim Wohnungsbau, dem Infrastrukturbau von Straße und Schiene und beim Bau der Energiewende sind gewaltig“, konstatierte er in seinem Grußwort und fügte an: „Umso mehr müssen wir uns austauschen, um unseren Beitrag zur Lösung dieser Herausforderungen zu leisten.“
Erster Themenblock: Aktuelles aus dem Straßenbau und Regelwerke
Dr. Thomas Chakar, Referent im Verkehrsministerium Baden-Württemberg, stellte vor, welche Herausforderungen derzeit beim Straßenbau vorherrschend sind. So muss das Land künftig in etwa jede zehnte sanierungsbedürftige Brücke investieren. Weitere Investitionen von 413 Mio. Euro fließen in die Umsetzung des Radwegeprogramms. Damit sollen unter anderem etwa 1300 km Radschnellverbindungen gebaut werden. Ein weiteres Thema ist die Weiterentwicklung des „Handbuch Qualitäts-Straßenbau Baden-Württemberg 4.0 (QSBW 4.0)“ – der Rahmen für einen digital kontrollierten Bauprozess, der eine flächendeckend gute Einbauqualität sicherstellen und damit die Lebensdauer der Asphaltschichten erhöhen soll. „Wir möchten unsere App an die Systeme der Bauunternehmen anbinden, sodass sie sowohl Bauleiter als auch der Baulastträger und Bauherr einer Baustelle nutzen können“, so Dr. Chakar zum Stand der App.
Die Autobahn GmbH mit etwa zehn Niederlassungen ist der größte Betreiber von Autobahnen in Deutschland. Im Namen der Niederlassung Südwest präsentierte Björn Beutinger deren strategische Ziele: Nachhaltigkeit, Verfügbarkeit und Sicherheit. So möchte die Autobahn GmbH bis 2040 klimaneutral sein und die Baustoffe bis 2030 zu 90 Prozent im Kreislauf führen – bei gleichzeitiger Anpassung der Baustoffe an die höheren Anforderungen an die Straßen, Stichwort: Klimawandel und Hitze. „Die Herausforderung wird sein, die Straßen verkehrssicher, komfortabel, leise, lange haltbar, nachhaltig und hitze- und kälteresistent zu halten“, schlussfolgerte Beutinger.
Alexander Grünewald, Projektleiter Technik vom InformationsZentrum Beton (IZB) präsentierte die neue Normengeneration DIN EN 1045. Dieser behandelte die neue Normengeneration des Stahlbetonbaus DIN 1045 mit ihrem Teil 1000 und den Teilen 1045-1, -2, -3 und Teil -4 mit -40, und -41, die die derzeitigen Regelungen im Stahlbetonbau ersetzen sollen. Der Gelbdruck-Entwurf der neuen Normengeneration ist mit Ausgabedatum Juli 2022 erschienen und war als Gesamtübersicht Inhalt des Vortrages. Hauptziel ist die Sicherstellung der Qualität im Betonbau als schnittstellenübergreifende Aufgabe von Planung, Betontechnik und Bauausführung. Dazu werden alle notwendigen Schritte differenziert über sogenannte Betonbauqualitätsklassen (BBQ) festgelegt. Die neue Normengeneration setzt die europäischen Normen um und ergänzt sie, wenn die Möglichkeit und Notwendigkeit nationaler Regelungen bestehen.
Zweiter Themenblock: Innovationen und Anwendungen
Dr. Ing. Stephan Hilgert, Geschäftsführer der limknow GmbH aus Karlsruhe stellte die Forschungsergebnisse seiner Arbeit an einem Baggersee in Breisach-Niederrimsingen vor. In einem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projekt beschäftigte sich der Geoökologe mit der Methodenentwicklung für eine nachhaltige Nutzung von Sand- und Kieslagerstätten in Baggerseen. Ziel war es herauszufinden, wie sich Sand und Kies in diesem Baggersee verteilen. Dafür nutze er unter anderem Drohnen, die den See unterirdisch erkundeten. Seine Erkenntnisse fließen nun wesentlich in die Konzeption der Gewinnung in diesem Baggersee ein. Außerdem können Betreiber des Sees herausfinden, wo der Schwimmbagger wahrscheinlich stecken bleiben wird und wo Restkiesmengen auffindbar sind.
„Das R steht für Regional, Recycle und Reuse“: So stellte Markus Holder, Geschäftsführer der 3R Rohstoff und Recycling GmbH + Co. KG sowie sein Mitarbeiter, Michael Högerle, den 3RC-Pflasterstein vor – der einzige seiner Art bestehend aus 70 Prozent Recyclingmaterial aus Bauschutt, der dabei nicht teurer sei als diejenigen aus Primärrohstoffen, so Holder. „Ziel ist es, neue Wege zu gehen“, sagte Högerle. So wirkten die hellen Pflastersteine zum Beispiel der Aufheizung der Städte entgegen.
Dritter Themenblock: Nachhaltigkeit und Digitalisierung
Wie Digitalisierung und Nachhaltigkeit miteinander verwoben sind, stellte Leopold Spenner von der alcemy GmbH vor. Das Unternehmen hat eine Software auf Basis Künstlicher Intelligenz (KI) entwickelt, mit der sich die Produktionsqualität von Betonen und Zementen vorausschauend steuern lassen. Vor allem bei anspruchsvollen Betonen wird die Konsistenz der Zemente und Betone damit gleichmäßiger– verbunden mit niedrigeren Produktionskosten, Arbeitserleichterungen für den Mischmeister und die Laboranten sowie deutlich weniger CO2-Emmissionen.
Beim Thema KI knüpfte Prof. Dr. Marcus Geimer vom KIT in Karlsruhe direkt im Anschluss an. Er stellte vor, welche Möglichkeiten sich mit KI ergeben. So gibt es Programme, die ihre Außenwelt ordnen können, indem sie Muster selbst erkennen (Unsupervised Learning) oder indem ihnen Parameter vorgegeben werden (Supervised Learning). Prof. Dr. Geimer stellte das exemplarisch an Baumstämmen vor, die von einer Maschine aufgeladen werden sollen: „Indem der Baumstamm in eine 3D-Wolke umgewandelt wird, kann das Programm die Entfernungen und den Durchmesser berechnen. Somit weiß die Maschine, auf welcher Position es den Baumstamm greifen muss. Das wiederum entlastet den Fahrer.“ Übertragen auf die Baustoffindustrie ließen sich zum Beispiel Programme entwickeln, mit denen Fahrzeuge in Steinbrüchen ihren Weg und die Abbruchkante finden – und damit Unfälle verhindern und Arbeitsabläufe vereinfachen.