Zurück
1. März 2023

Neuaufschluss von Steinbrüchen: Naturwerkstein für die Restaurierung historischer Gebäude in Baden-Württemberg

Baden-Württemberg ist reich an Lagerstätten von architektonisch attraktivem, gut bearbeitungsfähigem und witterungsbeständigem Naturwerkstein. Seit 2013 gibt es für Baden-Württemberg und die unmittelbar angrenzenden Regionen eine umfassende Darstellung nahezu aller Gesteinstypen, die häufig als Werksteine verwendet wurden und werden.

Wegen der stetig ansteigenden Nachfrage nach heimischem Werksteinmaterial hat das Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau (LGRB) das Nachschlagewerk „Naturwerksteine aus Baden-Württemberg. Vorkommen, Beschaffenheit und Nutzung“ herausgegeben (Werner et al. 2013).

Für die im Buch behandelten 82 Gesteinstypen werden räumliche und erdgeschichtlich-zeitliche Verbreitung, Form und Variabilität der jeweiligen Lagerstätten, Aussehen der verschiedenen Varietäten, ihre Eigenschaften und Einsatzbereiche beschrieben und die Bezugsmöglichkeiten aufgelistet. Seit den 1920er Jahren wurden Werksteinbrüche aufgrund des umfangreichen Einsatz der modernen künstlichen Baustoffe wie zum Beispiel Beton und des anwachsenden Steinimports aus aller Welt stillgelegt. Das hat zur Folge, dass von den ehemals vielen Hundert betriebenen Brüchen nur vergleichsweise wenige übrig geblieben sind. Immerhin stehen heute noch 52 Werksteinbrüche in Baden-Württemberg in Nutzung; Betreiber sind 42 verschiedene Firmen. Viele Steinbrüche werden nur zeitweise betrieben, andere fast regelmäßig.

Neben Handwerksbetrieben, die jeweils einen Bruch nutzen, sind größere Firmen vertreten, die nicht nur in Baden-Württemberg, sondern auch in den Nachbarländern Werksteine gewinnen.

Naturwerksteinbuch

Sie nutzen die Steinbrüche, um mit ihrem Angebot den wechselnden Ansprüchen der modernen Architektur gerecht zu werden. Doch für den immensen historischen Baubestand – rund 60.000 Baudenkmäler sind in Baden-Württemberg registriert – reicht das derzeit in Baden-Württemberg und auch in ganz Deutschland verfügbare Angebot oft nicht aus; es fehlen viele Gesteinsarten oder bestimmte Varietäten von Werksteinen, die in den letzten Jahrhunderten verwendet wurden.

Neue Wege in Baden-Württemberg

Einen in Deutschland weit beachteten Weg hat Baden-Württemberg eingeschlagen, um das erforderliche hochwertige Originalgestein für die Erhaltung herausragender Bauwerke zu beschaffen. Wir kennen die rohstoffgeologischen Erkundungs- und Kartierarbeiten des LGRB meist im Zusammenhang mit der Bewertung von regionalplanerischen Vorrangflächen oder mit Erweiterungsverfahren, doch die Rohstoffgeologen dieses Amtes befassen sich seit langem auch mit den verschiedenartigen Naturwerksteinlagerstätten des Landes und beraten in diesem Zusammenhang die Natursteinindustrie, Gemeinden und kirchliche Bauämter, Baudenkmalpfleger und Restaurierungsfirmen. Seit dem Jahr 2000 sucht das LGRB im Auftrag der staatlichen Denkmalpflege auch nach den besten Stellen, um Steinbrüche für die Gewinnung von Werksteinblöcken anzulegen, die primär der Bauwerkserhaltung zugute kommen sollen. Zudem betreuen sie die Erschließungsarbeiten.


Beispiele aus der Praxis

Breisacher Münster

Der erste für diesen Zweck wieder in Betrieb genommene Steinbruch liegt im Kaiserstuhl bei Achkarren. Der von hier und anderen früheren Brüchen stammende Kaiserstühler Tuffstein (der Geologe nennt das dunkle basaltische Gestein einen Tephrit-Pyroklastit) musste für die umfassende Außensanierung des romanisch-gotischen Münsters St. Stephan in Breisach erneut zur Verfügung gestellt werden. Weil nur Teile der Lapillituff-Massen am alten Vulkan ausreichend verfestigt sind, war das ein besonders schwieriges Unterfangen. Nach zweijährigen Erkundungsarbeiten gelang es 2004, am Rande eines alten, völlig überwachsenen Steinbruchs in nur sechs Wochen die von den Steinmetzen benötigten Menge von 130 Kubikmeter Rohblöcken zu gewinnen. Weil der Kaiserstuhl europäisches Vogelschutzgebiet ist, musste die Gewinnungsstelle wieder aufgefüllt und rekultiviert werden – bedauerlich, denn für andere Bauwerke und für viele Weinbergsmauern hätte man den Tuffstein heute wieder zu gern. Die Sanierung des Münsters konnte 2010 abgeschlossen werden.


 Ulmer Münster

 

Im Jahr 2005 machte der höchste Kirchturm der Welt mit einem Steinfall auf seinen Sanierungsbedarf „aufmerksam“: Ein mehrere Kilogramm schweres Bruchstück aus Eisensandstein schlug auf das Vordach der Ulmer Münsterbauhütte. Bei der Schadenskartierung stellte sich heraus, dass nicht nur Eisensandstein, sondern auch neuer Stubensandstein in einem Umfang von jeweils mehreren hundert Kubikmetern benötigt wird. Den geeigneten Bruch zum Abbau von Eisensandstein konnte das LGRB bei Lauchheim ermitteln. Im Jahr 2011 wurde bereits im Probeabbau ein großer Teil des benötigten Eisensandsteins gewonnen. 

Umfangreicher war wieder die Erkundungsphase im Stubensandstein im Schönbuchgebiet, vor allem weil der im Jahr 2008 als geeignet ermittelte Steinbruch bei Plattenhardt trotz anfänglicher Unterstützung der lokalen Behörden auf Druck der Standortgemeinde doch nicht genutzt werden durfte. Im benachbarten Kreis Böblingen stand man von Anfang an der Suche nach einer neuen Stubensandstein-Lagerstätte interessiert gegenüber: Im Frühjahr 2014 gelang der Nachweis eines hochwertigen Sandsteinlagers im Waldgebiet von Waldenbuch; erforderlich war dort ein völliger Neuaufschluss.


Freiburger Münster

Am Freiburger Münsterturm muss der erst in den 1960er Jahren eingesetzte tonig gebundene Buntsandstein aus Freudenstadt vollständig ausgetauscht werden, weil er den extremen Witterungsbedingungen am durchbrochenen Turmhelm nicht Stand hält. Über 80 Prozent des „schönsten Turms der Christenheit“ besteht aber noch aus bauzeitlich verwendetem Buntsandstein. Die Rohstoffgeologen des LGRB ermittelten die Originallagerstätte für die seit über 500 Jahren stabilen Originalgesteine in den Emmendinger Vorbergen nördlich von Freiburg. Im Jahr 2012 begann der Probeabbau bei Tennenbach, seit 2014 hat die Fa. Lauster Steinbau hier einen regulären Werksteinbruch in Betrieb genommen – in einem Gebiet, in dem schon vor 800 Jahren die Zisterziensermönche sowohl als Bauherren als auch als Baustofflieferanten erfolgreich tätig waren. Die Geologen des LGRB wissen vom Landesamt für Denkmalpflege bereits, dass noch größere Sanierungsprojekte als die genannten auf sie warten. Wie gut, dass Denkmalpfleger und Bauwerkseigentümer wissen, wohin sie sich wenden können.

 


Weitere Themen bei ISTE im Gespräch:

Bedeutung von Kiesgruben, Steinbrüchen und Baggerseen für den Naturschutz: Paradiese aus zweiter Hand