3 Fragen, 3 Antworten mit Prof. Dr. Ralph Watzel
Abhängigkeiten und freier Handel - welchen Platz hat Deutschland in der Rohstoffgewinnung und auf welche Herauforderungen müssen wir uns die kommenden Jahre einstellen? Prof. Dr. Ralph Watzel hat mit uns gesprochen und gibt einen Einblick.
Mit Herrn Dr. Heusgen habe ich bereits über die Bedeutung von Rohstoffen für die Außen- und Sicherheitspolitik gesprochen. Herr Professor Dr. Watzel, Sie sind Präsident der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe. Welche Rolle messen Sie dem Thema bei?
Wir sind in Deutschland schon heute importabhängig von Rohstoffen, insbesondere bei der Energie, aber auch bei Metallen. Mit der Energiewende, mit dem Weg raus aus den fossilen Energien hin zu den erneuerbaren Energien wird sich diese Importabhängigkeit absehbar nicht verringern. Sie wird sich zu anderen Ländern verschieben, in denen diese Rohstoffe gewonnen werden, wodurch sich neue Handelsketten entwickeln können. Das muss uns bewusst sein, wenn wir diesen Weg gehen. Ich bin froh, dass wir hier in einem ersten und guten Dialog mit der Bundesregierung sind.
Sie sprechen die Bedeutung des freien Handels und die Abhängigkeit von Rohstoffen aus anderen Ländern an. Trotzdem sind wir bestrebt, uns von diesen Ländern unabhängig zu machen, um Sanktionen wirklich glaubhaft durchsetzen zu können – Stichwort: Russland und China. Können Sie uns einen Einblick geben, welche Schritte wir in Deutschland noch gehen müssen, damit es uns das gelingt?
Kurzfristig ist es sicherlich so, dass die Störungen in den globalen Handelsketten, in den Logistikketten, auch durch Corona, noch nicht ausgestanden sind. Das wird noch eine Zeit lang so weitergehen. Jedoch ist es ein kurz- bis maximal mittelfristiger Effekt. Das Zweite ist, dass viele dieser Rohstoffe – Stichwort Seltene Erden und noch viele andere Metalle – überwiegend in China gewonnen werden bzw. wir ganz stark von China abhängig sind. Das ist zunächst mal eine unkomfortable Situation, denn wie schnell sich einseitige Abhängigkeiten in einem Problem verkehren können, haben wir nach dem 24. Februar 2022 durch den Ukraine Krieg gesehen.
Letztendlich wird es keine Lösung ohne China geben, sondern immer eine Lösung mit China sein müssen – aber eben nicht mit China allein. Das heißt, das klassische Prinzip der Diversifizierung liegt momentan auf dem Tisch. Wir müssen Rohstoffquellen in anderen Gewinnungsländern, in anderen Bergbauländern erschließen. Das hat mit ganz vielen Facetten zu tun, nicht nur mit wirtschaftlichen, sondern auch mit politischen. Aus diesem Grund haben wir dafür plädiert, dass Wirtschaft und Politik ein Stück weit Hand in Hand gehen müssen, unabhängig von den ordnungspolitischen Grundsätzen.
Baden-Württemberg ist ebenfalls ein rohstoffreiches Bundesland. Es gibt z.B. Lithium-Vorhaben im Oberrheingraben. Was sind für Sie die größten Herausforderungen der kommenden Jahre und Jahrzehnte, die die Bundesrepublik auf dem Weg zu dieser Diversifizierung durchlaufen muss? Auch in Bezug auf Rohstoffe, die bislang noch nicht regional gewonnen werden.
Mit Blick auf die Energiewende dürfen wir nicht übersehen, dass gerade der Ausbau von erneuerbaren Energien nicht unerhebliche Mengen an Baustoffen benötigt. Wir sind dennoch in der glücklichen Lage, dass wir diese Baustoffe regional in Deutschland gewinnen und produzieren können. Ich rate nicht dazu, diesen Pfad zu verlassen. Bei den Nicht-Baustoffen, den sogenannten Technologieelementen, die man für diese Dinge braucht, sind wir stark importabhängig und diese Importabhängigkeit sollte man nicht noch vergrößern. Das heißt, die sichere mittel- bis langfristige Gewinnung heimischer Rohstoffe ist ein Asset, das für die Energiewende gebraucht wird.
Bei den Technologiemetallen müssen wir in der Tat diversifizieren. Dabei geht es darum zu schauen, inwieweit Unternehmen in den Wertschöpfungsketten zurück in den Upstream-Bereich gehen. Dafür plädieren wir seit Jahren.
Was bedeutet der Upstream-Bereich?
Das ist die Wertschöpfungskette von der Bergbau-Produktion bis zum Beispiel der Automobiltechnologie-Fabrik. Das heißt nicht, dass Automobilbauer morgen früh ein Bergwerk betreiben sollen. Aber ein Engagement, in dem wir in der Wertschöpfungskette zurück zum Bergbau gehen, ist sinnvoll. Denn wir haben bei der Bergbauproduktion eine Konzentration in bestimmten Ländern, aber auch in Bereichen der Raffinerien, in den Konzentraten. Das wird so in der Wertschöpfungskette absehbar weitergehen. Von daher macht es Sinn, wenn sich unsere Produktionsunternehmen in diese Richtung entwickeln. Die einzelne unternehmerische Entscheidung obliegt jedoch immer dem Unternehmen.