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17. August 2023

Frauen in Männerberufen: „Der Bau ist längst keine Männerdomäne mehr!“

Der Bau - eine reine Männerdomäne? Frauen in der Unternehmensgruppe STORZ - einem Mitgliedsunternehmen des ISTE - sind beste Beispiele dafür, dass die Baubranche keineswegs mehr nur für Männer attraktiv ist. „Frauen am Bau haben Zukunft!“ -  das sagt auch Susanne Gräfin Kesselstatt, geschäftsführende Gesellschafterin des ISTE-Mitgliedsunternehmens. Neben STORZ gibt es viele andere Mitgliedsunternehmen, die Berufskraftfahrer:innen beschäftigen.

Die beiden Kraftfahrerinnen Jessica Kanzinger und Sabine Fröhlich sind beste Beispiele für diese Entwicklung. Sie arbeiten bei CONVIA, der Logistik-Tochter von STORZ und erzählen im Interview mit Katharina Beck von ihrem Beruf. 


Wie lange arbeitet Ihr schon bei CONVIA Logistik und was sind Eure Aufgaben?

Jessica Kanzinger: Ich bin seit zwei Jahren bei CONVIA und transportiere mit dem Sattelzug Baumaterialien zu unseren Baustellen.

Sabine Fröhlich: Ich fahre insgesamt schon 22 Jahre für die CONVIA, zwölf Jahre davon als Selbstständige. Mit meinem 4-Achser beliefere ich unsere Baustellen und führe auch vor Ort unterschiedliche Tätigkeiten aus.

Warum habt Ihr Euch für den Beruf Kraftfahrerin entschieden?

JK: Da meine Mutter ebenfalls Kraftfahrerin war, bin ich quasi im LKW großgeworden. Man könnte auch sagen, dass ich „Diesel im Blut“ habe (lacht). Ich konnte mir daher nie vorstellen, in einem Büro zu arbeiten. Für mich war schon immer klar, dass ich Fahrerin werden möchte. Meine Ausbildung habe ich zunächst als LKW-Mechanikerin gemacht. Erst im Anschluss habe ich mir dann den Traum vom LKW-Führerschein erfüllt.

SF: Weil dieser Beruf einfach toll ist! Auch jetzt - nach 37 Jahren - würde ich ihn immer noch ergreifen. Bevor ich bei CONVIA angefangen habe, bin ich im Fernverkehr gefahren. Daher genieße die Abwechslung, die wir hier in der Baubranche haben, wirklich sehr!

Was macht den Beruf der Kraftfahrerin auch für Frauen interessant?

JK: Für mich ist es die Herausforderung, Männern zu zeigen, dass dies keine reine Männerdomäne mehr ist. Frauen können genauso gut LKW fahren. Vielleicht sogar noch besser, denn wir geben im Straßenverkehr eher nach und bestehen nicht auf unserem Recht, daher sind wir sehr sichere Fahrer.

SF: Vermutlich muss man erst einmal das Vorurteil aus dem Weg räumen, dass dieser Beruf nicht für Frauen geeignet ist. Er ist es nämlich sehr wohl. Wichtig ist, dass das Interesse für den Beruf da ist und dass man ein gewisses technisches Verständnis mitbringt. Ich persönlich arbeite mit Leib und Seele auf dem Bau!

Welche Herausforderungen musstet Ihr als Frauen auf dem Bau bereits meistern?

JK: Vor allem in meiner Anfangsphase als Fahrerin dachten einige, ich wäre schneller wieder weg, als ich gekommen bin. Aber ich bin geblieben und konnte meine Position durch meine Leistungen schnell festigen. Wenn mal blöde Sprüche kamen, habe ich den Leuten die Stirn geboten und klargemacht, dass das so nicht geht. Ich weiß, dass ich eine gute Fahrerin bin. Dieses Selbstwertgefühl braucht man auf jeden Fall.

SF: Die Muskelkraft, die unsere männlichen Kollegen haben, fehlt mir manchmal. Zum Beispiel wenn es darum geht, schwere Sachen zu tragen. Die Kollegen bieten in solchen Fällen aber immer ihre Hilfe an.

Fühlt Ihr Euch in Eurem Beruf akzeptiert?

JK: Ja, definitiv! Ich musste dafür kämpfen, aber jetzt habe ich meinen Platz gefunden. Hier bei der CONVIA hatte ich nie das Gefühl, das ich nicht dazugehöre – im Gegenteil! Klar wird man manchmal belächelt, wenn einen die Leute auf der Baustelle noch nicht kennen. Aber nach ein bis zwei Fuhren hat sich das erledigt.

SF: Ja, über die Jahre habe ich mir durch meine Leistungen Respekt erarbeitet. Wenn man sich gut anstellt, ist das alles kein Problem.

Inzwischen gibt es schon drei Fahrerinnen bei der CONVIA Logistik. Wird sich der Frauenanteil in Zukunft noch vergrößern?

JK: Ich werde auf jeden Fall alles dafür tun, dass es so kommt. Wirklich, ich kämpfe dafür! Wir müssen allen zeigen, dass wir Frauen das genauso gut und vielleicht sogar noch besser können. Wir brauchen gute Frauen. Und wir brauchen vor allem mehr Frauen – nicht nur bei den Berufskraftfahrern.

Wie kann die Baubranche noch attraktiver für Frauen werden?

JK: Grundsätzlich denke ich, dass man gar keinen großen Unterschied zwischen Männern und Frauen machen sollte. Eigentlich ist es ein Beruf, der geschlechtsneutral sein sollte. Man muss sich bewusst sein, dass man in unserem Gewerbe im Sommer mehr arbeitet als im Winter. Das muss man auf eine gewisse Weise auch lieben und schätzen lernen.

SF: Hierfür gibt es vermutlich nicht die EINE Lösung. Man braucht Herzblut und man muss sich durchsetzen können. Ich denke, es ist wichtig, einen Mittelweg zwischen „gemocht werden“ und „respektiert werden“ zu finden. In der Baubranche muss man durch das, was man leistet, überzeugen.

Welche Tipps könnt Ihr anderen Frauen mitgeben, die über eine Karriere im Baugewerbe nachdenken?

JK: Man darf sich nicht unterkriegen lassen. Der Spruch „Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg“ ist in diesem Fall absolut zutreffend. Sicherlich muss man sich durchbeißen, aber man kann auch alles lernen. Ich selbst wollte es unbedingt und habe es auch geschafft! Der Bau ist keine Männerdomäne mehr!

SF: Man muss seinen eigenen Weg finden und zeigen, dass man es will. Auf jeden Fall darf man keine Scheu davor haben, dreckig zu werden. Aber dafür haben wir ja die entsprechende Arbeitskleidung. Wir Baumenschen sind Naturmenschen – ein aufwendiges Styling braucht man hier sicher nicht.