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3. Februar 2023

3 Fragen, 3 Antworten mit Dr. Christoph Heusgen

Was hat Geopolitik mit Außen- und Sicherheitspolitik zu tun? Dr. Christoph Heusgen, Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz, hat diese Frage im Interview des ISTE beantwortet.

 

Geopolitik bedeutet geografische Faktoren in politische Entscheidungen mit einzubeziehen. Sie waren ständiger Vertreter der Bundesrepublik bei den Vereinten Nationen. Können Sie uns einen Einblick geben, welche Bedeutung Geopolitik für die Außen- und Sicherheitspolitik eines Staates hat?

Man hat oft die Vorstellung, wir könnten einfach eine Mauer um Deutschland ziehen und werden uns dann hier schon zurechtfinden. Das ist jedoch eine Illusion.  Deutschland hängt schon immer von der Welt ab. Wir haben unseren Reichtum und Wohlstand in Deutschland erreicht, weil wir international mit allen Kontinenten Handel treiben. Wir sind auch darauf angewiesen, dass wir die besten Köpfe weltweit in Deutschland haben. Uns ist daran gelegen, dass wir weltweit ein Klima schaffen, wo wir miteinander arbeiten können, wo wir miteinander die großen Probleme lösen, die wir haben. Allein in Deutschland wird es uns zum Beispiel nicht gelingen, den Klimawandel zu bewältigen, sondern wir brauchen dafür eine gute Zusammenarbeit mit anderen Kontinenten. Wir müssen zum Beispiel eng mit Afrika zusammenzuarbeiten und ihnen Alternativen zur Kohle bieten. Es gibt so viele Fragen, wir müssen weltoffen bleiben und wir müssen uns als Deutschland weltweit engagieren.

Sie sprechen gerade den freien Handel an und ich habe das Gefühl, der Kampf um Rohstoffe wird immer größer. Es scheint, als sei der freie Handel in Gefahr derzeit. Würden Sie dem zustimmen, dass die Bedeutung um Rohstoffe in den letzten Jahren zugenommen hat?

Auf jeden Fall. Wir waren immer abhängig, auch in der Schwerindustrie, immer abhängig von Importen und sind immer davon ausgegangen: „Das wird schon funktionieren." Wir werden die Rohstoffe, die seltenen Erden, Energieträger oder Metalle schon alles bekommen. Und auf einmal sehen wir, dass es Staaten auf dieser Welt gibt, die das instrumentalisieren. Diese Staaten sehen, wie sie weltweit diese verschiedenen Rohstoffe und Rohstoffbezüge monopolisieren können und deswegen auch die Preise beeinflussen. Da dürfen wir nicht naiv sein. Wir müssen sehen, dass wir diversifizieren. Wir müssen unsere Rohstoffe explorieren, aber wir müssen weltweit auch gute Beziehungen zu Ländern haben, die über Rohstoffe verfügen. Das gelingt durch eine aktive Außen-, Wirtschafts- und Handelspolitik.

Ich darf Sie zitieren, Sie haben zum Taiwan-Konflikt gesagt: „Peking muss klar sein, dass es nicht so glimpflich wegkommt, wie nach der Übernahme Hongkongs“. Ich glaube, Wirtschaftssanktionen sind erst dann wirksam, wenn wir diese Ressourcen selbst haben. Nun meldet Schweden den größten Fund von Seltenen Erden, auch bei uns im Oberrheingraben soll Lithium abgebaut werden. Sind solche Funde für die Außenpolitik bedeutend?

Auf jeden Fall. Je mehr wir in Deutschland, je mehr wir in Europa, je mehr Staaten, mit denen wir gute Beziehungen haben, Rohstoffe finden und wir diese Rohstoffe auch nutzen können, umso unabhängiger werden wir. Es ist nur eine Illusion zu glauben, dass wir irgendwann mal autark in Europa sind. Das wird nie passieren. Wichtig ist, ist dass uns nicht von einem Land so abhängig machen, sodass dieses Land die Macht hat, politische Konditionen einzusetzen. Wir haben bei der Abhängigkeit von russischem Gas gemerkt, welche Konsequenzen es hat, wenn Russland dieses Instrument einsetzt. Von daher nochmal mein Plädoyer für eine aktive Außenpolitik, für eine Präsenz Deutschlands auch weltweit und darum, dass wir uns sehr viel mehr um die Länder des globalen Südens kümmern, wo es sehr viele dieser Rohstoffe gibt. Wir erleben oft, dass wir feststellen: China ist schon da. Es benötigt also sehr viel aktiveres Einwirken und das können wir nur im Zusammenspiel zwischen Regierung und Wirtschaft erreichen.


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