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29. November 2016

Genehmigungsverfahren für die Betriebe Steine- und Erden

Sich an einem Tag über die aktuell wichtigen Entwicklungen in Baden-Württemberg und auf Bundesebene bezüglich Genehmigungsverfahren für die Betriebe der Steine- und Erdenindustrie zu informieren, das ließen sich im Haus der Baustoffindustrie in Ostfildern über 120 Teilnehmer nicht entgehen. Wieder einmal gelang es dem Industrieverband Steine und Erden Baden-Württemberg e.V. (ISTE) zusammen mit der Rechtsanwaltskanzlei Dolde Mayen und Partner, Stuttgart, und der Arbeitsgemeinschaft Bayerischer Bergbau- und Mineralgewinnungsbetriebe e.V. (ABBM) ein interessantes Programm auf die Beine zu stellen.

Öffentlichkeit spielt große Rolle
Dass es zu einem, allerdings schwierigen, Wandel in den Genehmigungsverfahren in den vergangenen Jahren kam, stellte Tino Villano, Vorsitzender des Umwelt- und Rohstoffausschusses (URA) des ISTE, fest. Er hat den Blick sogar von zwei Seiten. In einer Umweltbehörde in Nordrhein-Westfalen arbeitete er auf der Genehmigungsseite, heute stellt er als Leiter für Umwelt, Arbeitssicherheit und Gesundheitsprävention im Zementwerk Wössingen der Opterra Zement GmbH die Anträge. „Diese werden zunehmend in und mit der Öffentlichkeit verhandelt“, moniert Villano. Obwohl die Gewinnung eigener Rohstoffe in Baden-Württemberg politisch gewollt ist, scheitert das Vorhaben an einzelinteressenverfolgenden Beteiligten und konkurrierenden Interessen. Deshalb lautet sein Rat an die Unternehmen: Interesse und Ängste der Basis kennen und ihr Verhalten verstehen.

Dass es beim Blick über den Zaun ähnlich aussieht, verdeutlichte Dr. Lothar Ulsamer, Leiter föderaler und kommunaler Projekte der Daimler AG,Stuttgart. Heute wird das 520 Hektar große Testgelände für ein Prüf- und Technologiezentrum in Immendingen für 200 Millionen Euro gebaut. Allein die Genehmigung dafür dauerte allerdings drei Jahre. Ulsamer gewährte interessante Einblicke und die Erkenntnis: Es gibt durchaus Parallelen von Großprojekten der Automobilindustrie zu den Vorhaben der Steine- und Erdenindustrie. Nur durch Offenheit, Transparenz und Information kommt man zum Ziel, ist Ulsamer unter anderem überzeugt.

Offene Kiesflächen sind am wertvollsten
„Kiesabbaugenehmigungen werden immer mehr zum Lotteriespiel und dauern immer länger“, weiß Oliver Mohr, Geschäftsführer der Firma Meichle und Mohr GmbH,Immenstaad. Dass Kiesgewinnung für den Naturschutz sogar hohe Potenziale birgt - das zeigt Landschaftsökologe Jürgen Trautner, der mit seinem Team von 1992 bis 2013 den Kiesabbau im Radolfzeller Stadtwald und südlich von Steißlingen untersucht und die Ergebnisse jetzt in einem Buch vorstellt.. „Vor allem offene Kies- und Lehmflächen sind für die Lebensräume am wertvollsten, desto eher kommen besondere Arten vor“, so Trautner.

Über das spannungsreiche Verhältnis von Nachhaltigkeit und Rohstoffnutzung referierte Dr. Gerhard Bronner, Vorsitzender des Landesnaturschutzverbandes Baden-Württemberg e.V. (LNV). Sie sind die Grundlage der regionalen Rohstoffsicherung: Die Regionalpläne. Um ein einheitliches Aufstellungsverfahren zu erhalten, wird die Verwaltungsvorschrift zur Erstellung der Regionalpläne überarbeitet. Über die Inhalte mit Relevanz für die Steine-Erden-Industrie informierte Lothar Benzel (ISTE). So finden zum Beispiel derzeit Gespräche statt, die Bemessungszeiträume für Festlegungen zum Rohstoffabbau und zur -Sicherung zu verlängern. Auch eine Abkehr von bedarfsorientierten zu ressourcenorientierten Sicherungsgebieten ist denkbar.

Sorge und Nöten der Betroffenen berücksichtigen
Über lang andauernde Planungsprozesse und -verfahren in der Region Bodensee-Oberschwaben berichtete Wilfried Franke, Verbandsdirektor Regionalverbands Bodensee-Oberschwaben und kam damit auf den Anfang des Seminars zu sprechen. „Ich teile das Fazit von Dr. Ulsamer zu hundert Prozent“, sagte Franke. Es sei wichtig, die Sorge und Nöten der Betroffenen zu berücksichtigen. „Es gibt in unserer Gegend eine zunehmend kritischere Haltung der Bevölkerung gegenüber Abbauprojekten.“ Franke berichtete von einem massiven Rückgang der Ziegeleiunternehmen in der Region. „Planen ist komplex geworden. Deshalb sollten Kiesabbauunternehmen und die Verbände so gut wie möglich kooperieren. Nur gemeinsam gelingt es, gute Standorte für den Abbau zu sichern.“

Keine neue Gefahr
Den aktuellen Stand des Gesetzesentwurfes zur Anpassung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes beleuchtete Dr. Winfried Porsch von der Kanzlei Dolde Mayen und Partner, Stuttgart. Die Konsequenzen für die Planungs- und Genehmigungsverfahren der Steine- und Erdenindustrie sind nicht groß. „Ich sehe keine neue Gefahr aufziehen“, so Porsch. Besonders betroffen ist die Steine- und Erdenindustrie allerdings bei der „never ending story“ der Mantelverordnung. Über den aktuellen Stand des Verfahrens berichtete Michael Heugel vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit. Er gab einen Rückblick zum Planspiel und erläuterte die Änderungen des dritten Arbeitsentwurfs bezüglich ihrer Praxistauglichkeit und der Umsetzbarkeit. Änderungen sind auch in der Technischen Anleitung Luft (TA Luft) geplant, die Walter Nelles, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Mineralische Rohstoffe e.V. (MIRO), vorstellte. Die Steine- und Erdenindustrie wäre durch diese Änderungen erheblich belastet. „Sie machen den deutschen Alleingang deutlich und schwächen den internationalen Wettbewerb.“ Nelles Forderung lautet deshalb: „Keine schärferen Bedingungen als die europäischen Vorgaben.“

Die Ökokonto-Verordnung besteht seit fünf Jahren und regelt die Möglichkeit, vorgezogene Maßnahmen bei späteren Eingriffen in Natur und Landschaft  als Kompensationsmaßnahmen anrechnen zu können. Mit Hilfe des Ökokonto können vorgezogen durchgeführte Maßnahmen dokumentiert und verwaltet werden, bis sie einem Eingriff zugeordnet werden. Einblicke in diese Verordnung und die Erarbeitung einer Kompensationsverordnung des Landes gewährte Wolfgang Kaiser vom Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg. Gelungene Beispiele von umgesetzten Ökokontomaßnahmen wie unter anderem eine Moor-Renaturierung zeigte Dr. Markus Röhl von der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU)/Flächenagentur Baden-Württemberg GmbH auf.

Die derzeit gültigen rechtlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen sind für die Steine- und Erdenindustrie nicht förderlich. Es geht nicht ohne fachlich und verfahrenstechnisch einwandfreie Anträge, die mit den Behörden abgestimmt und der Bevölkerung kommuniziert sein müssen. Eindimensionale Betrachtungen von einzelnen Belangen mit entsprechender Rechtssetzung führen in die Sackgasse.