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7. Februar 2023

Die 69. Winterarbeitstagung: Wie lösen wir die Herausforderungen der Industrie?

Der Industrieverband Steine und Erden Baden-Württemberg e.V. und der Bayerische Industrieverband Steine und Erden e.V. veranstalten jährlich eine Winterarbeitstagung- und das bereits zum 69. Mal. In diesem Jahr ging es um die Herausforderungen der Industrie. Zu Gast waren hochkarätige Referent:innen wie Dr. Christoph Heusgen, Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz. Fazit der Tagung: Die Herausforderungen bleiben brisant – die Industrie bleibt aber mindestens genauso innovativ.

„Wir werden zurechtkommen. Die Wirtschaft ist stark genug“: Zwei Sätze des Keynote-Speakers Dr. Christoph Heusgen, die den 150 Teilnehmenden der süddeutschen Steine- und Erdenindustrie zum Ende seines Vortrags zumindest etwas Mut gemacht haben. Der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz hatte zuvor in seiner Keynote zur geopolitischen Weltlage eher düster auf die Zukunft geblickt.  

Seinen Vortrag hielt er auf der dreitägigen Winterarbeitstagung des Industrieverbands Steine und Erden Baden-Württemberg e.V. (ISTE) sowie des Bayerischen Industrieverbands Steine und Erden (BIV) im Januar 2023, die in Längenfeld, Österreich stattfand. Neben ihm waren 18 weitere Vortragende dabei.

 

„Herausforderungen“ als diesjähriges Motto: Auch für die Weltwirtschaft
Sie alle stellten aktuelle Herausforderungen vor – das Motto der diesjährigen Wita. So auch Dr. Christoph Heusgen. Er war von 2017 bis 2021 Ständiger Vertreter der Bundesrepublik bei den Vereinten Nationen und beriet die Bundeskanzlerin a.D. während ihrer Amtszeit bei der Außen- und Sicherheitspolitik. Er umriss in seinem Vortrag die Konsequenzen aus dem Ukrainekrieg und dem Taiwan-Konflikt für die Weltwirtschaft: „Wir müssen uns in puncto Rohstoffe und Waren mehr diversifizieren, um zum Beispiel Ausfälle aus China zu kompensieren.“ 

Er betonte dennoch die Bedeutung von freien Märkten und forderte Konsequenzen aus den Lehren der Abhängigkeit von Russland: „Die Abhängigkeit von Öl und Gas ist maßgeblich durch die historische Bedeutung Russlands zu Deutschland zu erklären: Ohne Russland hätte es zum Beispiel keine Wiedervereinigung gegeben.“ Gute Zeichen konnte er indes wenige geben: „Es ist unwahrscheinlich, dass der Krieg in den kommenden Monaten und Jahren zu Ende geht– zu unterschiedlich sind die Erwartungen der Kriegsparteien.“ 

 

Umsetzung der Geopolitik: Einblicke in eine Behörde
Um Abhängigkeiten und die Herausforderungen für die Versorgung mit Rohstoffen und kritischen Mineralien ging es auch im Vortrag von Professor Dr. Watzel, Präsident der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR), Hannover. Während die Bundesrepublik bei Sand, Kies und Naturstein unabhängig ist, sieht sie sich bei seltenen Erden und Mineralien von anderen Ländern stark abhängig. Ähnlich zu Dr. Heusgen plädierte auch er für mehr Diversifizierung bei Rohstoffen – vor allem in Richtung des globalen Südens.  

Die Rolle Chinas in diesen Ländern hob Professor Dr. Watzel in seinem Vortrag besonders hervor. Denn China dominiert den Markt bei der Gewinnung einer Vielzahl der kritischen Minerale und Bergwerksprodukte. Doch nicht nur bei der Gewinnung zeigt sich ein beunruhigendes Bild für Deutschland: „Bei den wichtigsten Industriemetallen werden 50-70 Prozent der Weltbergbauproduktion in China weiterverarbeitet. Vor diesem Hintergrund relativiert sich das Bild des Exportweltmeisters Deutschland“.  

 

Herausforderungen für Unternehmen in Folge des Ukrainekrieges
Dass China den Handel auch in Russland dominiert, konnten Fred Cordes und Holger Schulz von der Zeppelin Baumaschinen GmbH bestätigen. Ausgehend von den europäischen und russischen Sanktionen, zog sich der Baumaschinenhersteller nahezu komplett aus dem Mining- und aus dem Motorengeschäft in Russland zurück. China hat daraufhin den russischen Markt in kürzester Zeit übernommen. „Wir hoffen, dass sich die Lage bald stabilisiert“, so Holger Schulz, Geschäftsführer bei Zeppelin International AG.  

Wie das Unternehmen die Dekarbonisierung bei der Baumaschinentechnologie vorantreibt, stellten Matthias Sowada und Staale Hansen anhand beispielhafter Einsätze vor – Stichworte: Alternative Kraftstoffe wie HVO oder Biodiesel und Elektroantrieb per Batterie, Kabel oder Oberleitung.  

 

Öffentlichkeitsarbeit und Bürgerbeteiligung: Einblicke in eine Landesbehörde und in die Industrie
Einblicke in eine Landesbehörde gab Prof. Dr. Jörg-Detlef Eckhardt vom Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau, Freiburg. Er stellte die Aufgaben und Ziele vor, die sein Haus verfolgt – so zum Beispiel bei der Digitalisierung von Geodaten, die bei Planungen von S-Bahnen behilflich sein können. Zudem stellte er die Öffentlichkeitsarbeit bei kritischen Projekten wie der Geothermie vor.  

Carsten Pfisterer von der Firma Lukas Gläser GmbH & Co. KG knüpfte an dieses Thema an. Er stellte vor, wie Bürger:innen bei der Erweiterung des firmenbetriebenen Steinbruchs involviert wurden. Mithilfe runder Tische und speziellen Beteiligungsformaten konnte die Firma einen schwelenden Konflikt lösen und das Erweiterungsverfahren erfolgreich abschließen.  

Öffentlichkeitsarbeit beschäftigt nicht nur Unternehmen, sondern auch Verbände: Insbesondere mit Politiker:innen. Die Herausforderungen, denen Verbände dabei begegnen, präsentierte Dr. Matthias Frederichs vom Bundesverband Baustoffe – Steine und Erden (bbs). Wichtig bei dieser Arbeit sei, die Beiträge der Industrie für Gesellschaft, Natur und Umwelt zu kommunizieren, so Dr. Frederichs: „Das sorgt für mehr Akzeptanz.“  

 

Vorträge zu intelligenter Flächennutzung, Maschinentechnologie und Biodiversität von Junior:innen im ISTE
Welche Beiträge das sein können, stellten Pius Geiger von der Geiger Gruppe, Marcus Hauri von den Hans G. Hauri KG Mineralstoffwerken und Anne Föllner, Referentin für Biodiversität im ISTE vor. Pius Geiger präsentierte den Zuhörenden die Idee der multifunktionalen Flächennutzung. So wird zum Beispiel ein ehemaliges Kieswerk unter anderem als Gewerbegebiet nachgenutzt. Das sei insbesondere für Bürger:innen ein wichtiges Signal: „Die Gemeinden empfinden es als sehr wertvoll, wenn wir unsere Flächen sinnvoll weiternutzen“, resümierte Geiger seinen Vortrag. 

Ein weiterer Baustein bei der Akzeptanz für die Rohstoffgewinnung ist die Biodiversität in Gewinnungsstätten. Dies als Chance für Betriebe zu vermitteln, war das Ziel von Anne Föllner. Sie präsentierte unter anderem die Bedeutung, die Tiere und Pflanzen in der Biodiversitätsdatenbank des bbs zu monitoren. „Denn nur, wenn wir etwas über die Arten und Populationen in Steinbrüchen und Co. wissen, können wir das gegenüber der Politik, Verwaltung und Bürgerschaft kommunizieren“, so Föllner.  

Marcus Hauri wiederum konzentrierte sich bei seinem Vortrag auf die Energieeinsparung und CO2-Minderung bei der Kalksteinverarbeitung. Die Idee: Die Abwärme aus einem GGR-Ofen ersetzt das Erdgas für den Brenner der Kalksteinmühle. Dabei liegt das CO2.-Einsparpotenzial bei bis zu 720 Tonnen pro Jahr. 

 

 Wie übergebe ich ein Familienunternehmen? Tipps und Tricks
Viele Junior:innen im ISTE sind Teil eines Familienunternehmen. Tipps, wie der Übergang von einer Generation zur nächsten gelingt, gab Dr. Bettina Daser, Beraterin für Familienunternehmen. Wichtig sei vor allem, Entscheidungen zur Zukunft der Geschäftsführung nicht zu schieben: „Sonst entsteht sehr viel Unruhe in der Familie.“ Für den Übergang solle man zudem mindestens fünf Jahre einplanen.

 

„Kieswirtschaft ermöglicht Eiszeitforschung“ auf der BUGA Mannheim 2023
In Baggerseen, Kiesgruben und Steinbrüchen lassen sich häufig Skelette, Hölzer und Zähne aus prähistorischen Zeiten finden. An ihnen können Forschende die Frage beantworten: Wie haben sich Eiszeittiere an das sich verändernde Klima angepasst? Eine wichtige Frage für die Zukunft. Das wird auch das Thema der Kooperation zwischen Reiss-Engelhorn-Museen (REM) und KiWi – Kieswirtschaft im Dialog am Oberrhein sowie ISTE auf der BUGA 2023 in Mannheim sein. In einer 500 qm großen Halle wird es um das Thema gehen: „Wissen schaffen im Heute, mit Archiven von gestern für das Handeln von Morgen“. Über diese Kooperation, die zwischen April und Oktober auf dem Spinelli-Gelände zu sehen sein wird, berichtete Prof. Dr. Wilfried Rosendahl, Generaldirektor von den REM.

 

Digitalisierung in der Branche: Rohstoff-Mall und Azubi-Kampagne
Die Umstellung auf digitale Formate ist ebenfalls eine Herausforderung für die Industrie. Die Entwicklungen der digitalen Mall, die bereits Thema bei der 68. Wita im September 2022 war, stellte Thomas Karcher von der Kies und Beton AG vor. Ziel ist es, eine einheitliche digitale Verkaufsplattform zu schaffen. Bereits 35 Unternehmen sind dabei. Karcher forderte alle Unternehmen auf, sich daran zu beteiligten: „Wir brauchen eine breite Produktvielfalt: Nur dann wird die digitale Plattform funktionieren.“ 

Welche Chance bei der Mitarbeitergewinnung durch Social Media und einer modernen Azubi-Kampagne liegen, war Thema von Susanne Maier-Garzke von den bmk Steinbruchbetrieben GmbH & Co. KG. Mit deren Azubi-Kampagne „hard breaker“ konnten sie große Erfolge erzielen: So gingen über die Kampagne 21 Bewerbungen ein. An dieses Thema knüpfte im Anschluss Kai Schwarz von Holcim (Süddeutschland) GmbH an. Als Leiter Human Resources brachte er in seinem Vortrag zum Thema Mitarbeiterbindung auf den Punkt, wie Unternehmen ihre Mitarbeiter:innen halten können: „Eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter muss ein Fan von Ihrem Unternehmen sein. Ein hoher Lohn und Corporate Benefits reichen heutzutage nicht mehr aus.“ 

Mit einem gemeinsamen Vortrag von Arne Hilt und Dagmar Marek-Pregler, beide zuständig für Tarifrecht im ISTE bzw. BIV ging die 69. Wita zu Ende. Sie stellten vor, welche rechtlichen Rahmenbedingungen bei der Arbeitnehmerüberlassung und beim Auslandsrecruiting beachtet werden müssen. 

 

69. Winterarbeitstagung vor traumhafter Kulisse mit spannendem Nebenprogramm
Neben den Vorträgen hatte die Winterarbeitstagung ein abwechslungsreiches Programm zu bieten: So umrahmten das Vortragsprogramm ein Besuch bei der James Bond Erlebniswelt „007 Elements“ auf 3.000 Meter Höhe in Sölden, eine Schneewanderung mit einem anschließenden Hüttenmittag sowie das Junior:innen-Vorprogramm mit dem Einsatz von LEGO Serious Play.  

Eindrücke von der 69. WITA finden Sie auf unseren Social-Media-Kanälen LinkedIn und Facebook. Interviews mit einigen Referent:innen der Wita finden Sie auf unserer Homepage.  

Die 70. Winterarbeitstagung findet vom 14.-17. Januar 2024 in Telfs, Österreich statt.