65. WITA von ISTE und BIV: Digitales und analoges Bewegungsforum
Zukunftsthemen und Netzwerken auf der Winterarbeitstagung im Ötztal
Wer eine Winterarbeitstagung veranstaltet, sollte auch Fortune haben. Bei dieser inzwischen schon 65. WITA von Industrieverband Steine und Erden Baden-Württemberg e.V. (ISTE) und Bayerischem Industrieverband Baustoffe, Steine und Erden e.V. (BIV) hatte man dieses Glück des Tüchtigen, denn die enormen Schneemassen erschwerten den Menschen im Ötztal erst später das Leben. „Bewegung“ hieß das Generalthema der Konferenz, zu der in diesem Jahr rund 240 Teilnehmer aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Gesellschaft ins Hotel Aqua Dome nach Längenfeld gereist waren.
ISTE-Präsident Peter Röhm und sein BIV-Amtskollege Mike Edelmann konnten zufrieden feststellen: die „Südschiene“ funktioniert. Die WITAs seien „eine geniale Idee“. Es gebe Themen, welche alle gleichermaßen bewegen – allen voran die Rohstoffsicherung. Die Unternehmen seien derzeit gut ausgelastet, aber es gelte, für die dezentrale Rohstoffversorgung aus heimischen Quellen auch über Jahrzehnte noch Sorge zu tragen. BIV-Präsident Mike Edelmann stimmte seinem Kollegen zu und plädierte in diesem Zusammenhang für deutlich weniger Bürokratie.
FDP-Fraktionschef will Wirtschaft entlasten
Diese Forderung traf auf offene Ohren beim politischen Ehrengast dieser WITA: Dr. Hans-Ulrich Rülke MdL, Vorsitzender der FDP/DVP-Fraktion im Landtag Baden-Württemberg. Entlastung der Wirtschaft sei ein zentrales Stichwort seines Programmes der 5E – die anderen vier: Energiepolitik, Einwanderungspolitik, Europapolitik und Education, also Bildungspolitik. Man brauche das Geld des Bundes, und deshalb müsse man das sogenannte Kooperationsverbot überarbeiten. In der Energiepolitik sprach er sich für realistische Kombinationen aus erneuerbaren und konventionellen Energiequellen aus. In Bezug auf die richtige Einwanderungspolitik plädierte er für begrenzten Familiennachzug. Rülke betonte, dass die FDP keine europafeindliche Partei sei. Der Liberale befürwortete vehement Entlastungen für die Wirtschaft: „Wir müssen uns auch wieder auf schlechtere Zeiten einstellen und vorsorgen - wir dürfen die Unternehmen nicht überlasten!“
Das technische Thema der Zukunft: Digitalisierung
Das technische Zukunftsthema der Rohstoffbranche ist die Digitalisierung in ihren verschiedensten Varianten. Sie wird die bisherige Abbaupraxis enorm verändern. Wahn oder Hype? Prof. Dr. Albert Daniels von der Technischen Hochschule Georg Agricola in Bochum stellte diese Frage.
Antworten aus der Praxis gaben drei Referenten. Bernhard Tabert von der Zeppelin Baumaschinen GmbH – dem Hauptsponsor der WITA 2018 - erläuterte den Drohnenservice seines Unternehmens für effiziente Gewinnungsstätten. Die Herausforderungen für Maschinen in Abbaubetrieben verglich er mit denen an Rennwagen: es gehe um Höchstleistungen, die auf Dauer erbracht werden müssen. Fahrstrecken, Abläufe, Materialerfassung und –lagerung ließen sich mittels digital erfasster Daten. Taberts Antwort: Digitalisierung ist unverzichtbar, um Betriebe besser zu managen.
Dr. Kristian Daub von der Schwinger Granit GmbH und Co KG in Nittenau bei Regensburg konnte dies aus seiner betrieblichen Praxis bestätigen. „Die tägliche Verschwendung vermeiden! Deshalb: Effizienzschulung ist Chefsache. Fakten und Transparenz führen zu Motivation und Kostenbewusstsein. Dabei hilft Digitalisierung enorm.“
Peter Sauter (Caterpillar SARL in Genf) blickte in die fernere Zukunft und beschrieb die Möglichkeiten des autonomen Fahrens in Gewinnungsstätten. Was heute noch in europäischen Ohren utopisch klinge, sei in Australien bereits Realität: unfallfrei und zu deutlich günstigeren Kosten als zuvor. Es sei nur eine Frage der Zeit, wann sich das auch in Europa lohne.
Dauerbaustelle Öffentlichkeitsarbeit
„Bewegung durch Dialog – Miteinander reden statt übereinander reden“ – zu den großen Herausforderungen der Branche gehört immer wieder die Kommunikation mit Bürgern und mit Bürgerinitiativen. Wie geht man als Unternehmen damit um? Dr. Piet Sellke von adribo Mediation aus Stuttgart erläuterte anhand von Beispielen aus der Praxis, wie strukturierte Dialogprozesse Unversöhnlichkeiten vermeiden helfen können.
Junioren an die WITA-Front
Ein neues Format soll die kommenden Konferenzen bereichern: die ISTE- und BIV-Junioren sollen bei den WITAs wieder eine aktivere Rolle spielen. Den Anfang machte Sophia Röhm, die das Projekt „Sonnenpark am See“ vorstellte – am Rande eines ehemaligen Kiessees in Baltringen. Sie hatte diese innovative Ferienhaussiedlung der familiengeführten Unternehmensgruppe auch zum Thema ihrer Masterarbeit gemacht. Christian Rombold, bezog sich ebenfalls auf seine Masterarbeit, nahm die Teilnehmer aber mit unter die Erde. Der junge Bauingenieur berichtete am Beispiel des Engelbergtunnels über Techniken der Sanierung von Straßentunneln bei laufendem Betrieb.
Bewegung beim GisInfoService
Auch Daten können in Bewegung geraten - Dr. Dagmar Hoffmann stellte die Neuigkeiten und Schlaglichter beim Geographischen Informationssystems www.GisInfoService.de vor. Die Diplom-Geologin ist beim ISTE zuständig für die GIS-Anwendungsberatung, für Rohstoffsicherung, für Öffentlichkeitsarbeit und für die Biodiversitätsdatenbank. Das Informationssystem gibt es seit rund zehn Jahren. Sie präsentierte die Einzelheiten einer Verjüngungskur, die Kompliziertes für die Nutzer noch überschaubarer und noch leichter zu handhaben gestaltet.
Erstmals zehn Studenten bei einer WITA
Dass eine Winterarbeitstagung nicht nur das eigene Wissen bereichert, sondern vielleicht auch die Mitarbeiterzahl der eigenen Firma, dafür bot sich erstmals Gelegenheit: Die Konferenz präsentierte sich auch als Stellenbörse. 10 Studentinnen und Studenten der Technischen Hochschule Georg Agricola aus Bochum – allesamt RohstoffingenieurInnen - überreichten interessierten Unternehmern ihre Visitenkarten. Immerhin sucht auch die Steine- und Erden-Industrie intensiv nach qualifiziertem Nachwuchs.
Baubionik als Architektur der Zukunft
In die Zukunft der Architektur und des Werkstoffes Beton blickte Hans-Jörg Niederhöfer. Er präsentierte die faszinierende Ausstellung „Baubionik – Biologie beflügelt Architektur“, welche im Staatlichen Museum für Naturkunde in Stuttgart noch bis zum 6. Mai 2018 zu sehen sein wird. Die meisten im Publikum werden gestaunt haben, dass die Architektur der Zukunft von Millionen Jahre alten Seeigeln, Schnecken und Pflanzen lernt. Moderne Baubionik sei nur möglich durch digitale Techniken und dreidimensionale Drucktechniken. Beton, so Niederhöfer, sei der „Rohstoff der Zukunft“.
Erdbeben, Murgänge, Felsstürze – Albträume nicht nur für Alpenbewohner. Der Klimawandel und der drohende Verlust von Permafrostregionen war das Thema von Prof. Dr. Michael Krautblatter von der TU München. Modernste digitale Techniken lassen heute Vorhersagen über bevorstehende Naturgefahren zu. Sie bilden auch die Grundlage für Planung und Bau von Ablenk- oder Schutzbauwerken. Das Ziel: die Alpen durch die richtigen Bauwerke sicherer und auch für kommende Generationen nutzbar machen.
Bewegungen der besonderen Art
Zum WITA-Generalthema „Bewegung“ gehörte natürlich auch die physische Beweglichkeit der Teilnehmer. Der Physiotherapeut und Spitzensportler-Trainer Otmar Keller berichtete aus seiner Zeit als Trainer des Teams Alinghi beim America’s Cup 2007 – drei Jahre bereitete er die Segler aus der Schweiz auf dieses größte Segelevent der Welt vor. Belohnt wurden sie übrigens mit dem Gewinn der Trophäe.
Auch der Chef des größten Sportvereins Baden-Württembergs gab sich die Ehre; VfB-Stuttgart-Präsident Wolfgang Dietrich. Seit 2016 im Amt erläuterte er seine Visionen für den Stuttgarter „Verein für Bewegungsspiele“. Er sprach von sehr hohem Erfolgsdruck. Auf 100.000 Mitglieder wolle man in den nächsten vier Jahren kommen; 60.000 habe man bereits. Da konnten sich ISTE-Präsident Peter Röhm und ISTE-Ehrenpräsident Hans-Martin Peter nicht lumpen lassen – sie traten kurzerhand dem VfB bei.
Dass Bewegung nicht nur der eigenen Gesundheit, sondern auch sozialen Zwecken dienen kann, zeigte der BIV-Mitgliedsunternehmer Fritz Zimmermann aus Ampfing. Er berichtete über die „Lettngaudi“, die er als Präsident des regionalen Rotary Club organisiert hatte: „Rennts im Dreck fürn guatn Zweck!“ Lettn – das ist Dreck, Schlamm. Durch den robbten freiwillig und glücksstrahlend über 800 Teilnehmer seiner Benefizaktion zugunsten der Erdbebenopfer im italienischen Amatrice.