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9. Februar 2017

6. Baustoff-Technik-Tag

Rund einhundert Verantwortliche der Baustoffwirtschaft informierten sich im Haus der Baustoffindustrie in Ostfildern auf dem 6. Baustoff-Technik-Tag, zu dem der Industrieverband Steine und Erden Baden-Württemberg e. V. (ISTE) wieder hochkarätige Referenten gewinnen konnte, die praxisgerechte Vorträge mitgebracht hatten.

In die Massenströme der Steine und Erden in Baden-Württemberg gewährte Thomas Beißwenger, Hauptgeschäftsführer des Industrieverbandes Steine und Erden Baden-Württemberg e.V. (ISTE), interessante Einblicke. So verdeutlichten seine Ausführungen mit anschaulichen Grafiken unter anderem die Wichtigkeit von Primärrohstoffgewinnung trotz Recycling-Baustoffe.

Die Referenten spannten dabei einen gelungenen Bogen von herausfordernden Aspekten des offenporigen Asphalts, über aktuelle Arbeitsschwerpunkte der Verbände bis hin zu Wissenswertem aus der Praxis.

So soll er sein I: leise
Werden bei der Planung von neuen Straßen Lärmpegelminderungsfaktoren (Korrekturwerte DStro) von 4 bzw. 5 dB erforderlich, kann derzeit nur der Offenporige Asphalt (kurz OPA) verwendet werden, da nur der OPA rechtlich anerkannte DStro-Werte in dieser Größenordnung aufweist. Darum ging es im ersten Themenblock, den Robert Zimmermann vom Ministerium für Verkehr Baden-Württemberg (Stuttgart) eröffnete. Der Referent für Straßenbautechnik und –erhaltung berichtete vom schwierigen Unterfangen, neue lärmoptimierte Asphalte (wie z.B: SMA LA) in das bestehende Regelwerk aufzunehmen. Außerdem beleuchtete er die Begriffe Lärmvorsorge und Lärmsanierung genauer und unterstrich, dass Baden-Württemberg Vorreiter in Deutschland ist bezüglich Lärmsanierung. Als einziges Bundesland hat Baden-Württemberg zum Beispiel einen Lärmschutzbeauftragten. Der offenporige Asphalt sei trotz seiner Probleme eine effektive Maßnahme, um das Reifen-Fahrbahn-Geräusch direkt am Ort der Entstehung zu reduzieren, da er Luft und Lärm „schluckt“.

So soll er sein II: Verformungsresistent und dauerhaft
Die einseitige Optimierung des offenporigen Asphalts mit dem Ziel einer möglichst großen akustischen Nutzungsdauer führte bei der Rezepturentwicklung von OPA zu höheren Hohlraumgehalten, welche zu mangelnder Prozesssicherheit und Substanzverlust des fertigen Belags führten – dies erläuterte Thomas Behle von der Hohenloher Asphalt-Mischwerke GmbH & Co KG (Heilbronn). Zur Verbesserung der Dauerhaftigkeit und Prozesssicherheit stellte er einen Optimierungsansatz der Asphaltindustrie dar, so dass durch Dosierung von bis zu 5 M.-% Sand eine Erhöhung des inneren Widerstandes gegen Substanzverlust erreicht werden soll ohne nennenswerte Verschlechterung des initialen Lärmminderungsverhaltens. Abschließend zeigt er auf, wie das Gebrauchsverhalten von Asphaltkonzepten hinsichtlich der Dauerhaftigkeit im Labor vergleichend bewertet werden kann.

Möglich: Prognosen für Griffigkeit
Griffigkeit war das zentrale Thema im Vortrag von Dr.-Ing. Christine Kellermann-Kinner von der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt). Warum man heute im Straßenbau mehr performance-orientierte Prüfverfahren durchführen sollte, das erläuterte die Referentin am Beispiel der Griffigkeit. Dazu wurden die Besonderheiten offenporiger Asphalte hinsichtlich der Griffigkeitsmessung und des Griffigkeitspotentials in zwei Forschungsprojekten untersucht, mit dem Ergebnis, dass das Polierverhalten nach Wehner/Schulze zur Bestimmung eines Endpolierwertes offenporiger Asphalte anwendbar ist. Hierzu befindet sich derzeit ein Bewertungshintergrund in der Erarbeitung.

Alles im Fluss: Kennzeichnungen & Leistungserklärung
Über die aktuellen Arbeitsschwerpunkte der Verbandsarbeit aus dem Bereich Normung für Gesteinskörnungen berichtete Dr. Olaf Enger vom Bundesverband Mineralische Rohstoffe e.V. (Köln). Für eine korrekte Kennzeichnung von Gesteinskörnungen verwies er auf den überarbeiteten Leitfaden, welcher die Teilnehmer mit den Tagungsunterlagen erhalten haben. „Es ist alles im Fluss - ich hoffe, ich kann ihnen ein bisschen die Flussrichtung erläutern“, sagte Stefan Janssen auch vom Bundesverband Mineralische Rohstoffe e.V. (Duisburg). Er informierte über zukünftige Regelungen für Baustoffgemische nach TL SoB-StB und erklärte, dass „Die Leistungserklärung das zentrale Dokument sein wird“. Zu allen wesentlichen Merkmalen werden darin die Kategorien durch den Hersteller angegeben und die Fremdüberwachung wird entfallen. Damit kein Vertrauensbruch zwischen  Baustoffhersteller und Abnehmer entsteht, ist geplant, die sogenannte Verbandsempfehlung, welche im Jahr 2004 für die Regelung der CE-Gesteinskörnungen herausgegeben wurde, zu überarbeiten und mit Empfehlungen für die Baustoffgemische zu ergänzen.

Steiniger Weg: Einheitliche Betonbauqualität
Nahtlos wechselte der Baustoff und zwar mit dem Vortrag von Dr. Olaf Aßbrock vom Bundesverband der Deutschen Transportbetonindustrie e.V. (Berlin): aufgrund der zahlreichen Einsprüche der Bauindustrie zur neuen Normengeneration EN 206 sind neue Entwurfs-, Liefer- und Einbaukonzepte erforderlich. Gefordert ist ein Konsens mit den Werkzeugen, die Europa bietet. Es besteht also Handlungsbedarf zur Angleichung an neue Bauverfahren, Vielfalt der Ausgangsstoffe sowie Bemessungsverfahren. Für alle Bauwerke muss die gleiche Sicherheit gelten, die Qualitätsanforderungen sollten über alle Bereiche klassifiziert werden. BBQ – also Betonbauqualität –  lautete hier das geflügelte Wort, unter dem Dr. Olaf Aßbrock unter anderem das Grobkonzept zukünftiger Betonbauqualitätsklassen darstellte. Und irgendwann ist es dann vielleicht sogar soweit:  Es gibt ein einheitliches Konzept in ganz Europa. Doch bis dahin ist in Deutschland noch die EN 206-1(2000) und die DIN 1045-2 (2008) die maßgebende Betonnorm.

Nicht zu unterschätzen: Normen
Was sich bei den Prüfnormen für Gesteinskörnungen ändert – das erläuterte Markus Zimmermann, der als einer der Geschäftsführer der Baustoffprüfgesellschaft mbH direkt aus der Praxis berichtete. Er unterstrich die Wichtigkeit von Normen, vor allem bezüglich Rechtssicherheit und sagte: „Wer Normen missachtet, kann schnell im Wettbewerb zurückfallen.“ Normen sollten also gekannt und dann auch angewandt werden. „Wir unterstützen sie gerne dabei“, unterstrich Markus Zimmermann und erläuterte anschließend die neue Bestimmung des Anteils an gebrochenen Körnern in groben Gesteinskörnungen. Nicht unerwähnt ließ er die Widerstände seitens der Bauindustrie gegenüber der modifizierten Berechnung des Polierwiderstandes an Gesteinskörnungen für die Verwendung in Deckschichten im Straßenbau.

Praxisnah und verständlich: Erste Branchenregel der DGUV
Praxisnah ging es weiter und zwar mit der Vorstellung der ersten Branchenregel der Deutschen Gesellschaft für Unfallverhütung (DGUV), die Ulrich Kretschmer von der Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie (Nürnberg) präsentierte. Die erste Schrift dieses neuen Formats widmet sich der „Gewinnung und Aufbereitung von mineralischen Rohstoffen“ und fasst alle maßgeblichen Informationen zum Arbeitsschutz in der Steine- und Erdenindustrie für Unternehmerinnen und Unternehmer zusammen – inklusive Vorschläge für eine wirksame Prävention.

„Sie lässt Arbeiten noch zu und verhindert es nicht“, betonte Kretschmer. Nun hofft der Fachmann, dass das neue Präventionsinstrument in der Praxis akzeptiert und in der täglichen Arbeit praktisch umgesetzt wird. „Denn das ist das Wichtigste.“

Innovativ & umweltfreundlich: Branntkalkzugabe bei der Aufbereitung
Den Ressourcenverbrauch in einem Natursteinbetrieb um ein Drittel senken. Wer möchte das nicht? Benedikt Fahrland, Geschäftsführer der Heinrich Mertz Kies- und Sandwerke GmbH & Co. KG (Stuttgart) erläuterte das neue Verfahren, das im Steinbruch in Mönsheim aus lehmdurchsetztem Vorsiebmaterial noch weiteres Wertgestein „zaubert“. Durch die dosierte Zugabe von ca. 0,8 Prozent Branntkalk wird das lehmhaltige Vorsiebmaterial 0 bis 120 mm in einem 4,5 Kubikmeter-Doppelwellenmischer abgelöscht, so dass sich die unerwünschten Lehmanteile vom Stein lösen. Diese werden bei ca. 22 mm abgesiebt, das gereinigte Material 22 bis 120 mm wird zum Vorbruch und damit in den Aufbereitungsprozess zurückgeführt. Die Nutzung des Rohstoffes steigt dadurch von bisher etwa 65 Prozent auf über 90 Prozent. Ein Vorgehen das überzeugt – auch das Bundesumweltministerium. „Wir haben den Umweltinnovationspreis erhalten und wurden zum Deutschen Rohstoffeffizienzpreis nominiert“, sagte Fahrland stolz. Mitte Februar findet die Preisverleihung statt - ob der Steinbruch in Mönsheim unter den Gewinnern sein wird?

 

Und nach einem vollbepacktem Tag mit jeder Menge Informationen aus Theorie und Praxis waren sich die Teilnehmer der Tagung einig: Es war einmal mehr eine äußerst interessante Veranstaltung, die der ISTE im Haus der Baustoffindustrie auf die Beine gestellt hatte.