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8. bis 11. Januar 2019

Winterarbeitstagung in Kitzbühel mit Referenten aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft

Die Steine- und Erden-Branche erkundet ihre Horizonte

Der Horizont erstrahlte in Weiß – es waren wunderbare Wintertage in Kitzbühel, ohne dramatische Folgen wie in anderen Skihochburgen Österreichs. Die Kulisse für diese 66. Winterarbeitstagung der Steine- und Erden-Industrie hätte schöner kaum sein können. Rund 270 Unternehmerinnen und Unternehmer der Steine und Erden-Industrie aus Deutschland und Österreich – die meisten von ihnen aus Baden-Württemberg und Bayern - waren nach Tirol gekommen, um unter dem Motto „Horizonte“ Standort und Ausblicke ihrer Branche zu definieren und zu diskutieren. Wie immer standen ihnen dabei Fachleute aus Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft zur Seite.

Peter Röhm, Präsident des Industrieverbandes Steine und Erden Baden-Württemberg e.V. (ISTE), blickte zusammen mit seinen Verbandskollegen aus Bayern und aus Österreich auf ein wirtschaftlich sehr gutes Jahr 2018 zurück. Er mahnte allerdings mit Blick auf Genehmigungsprobleme bei der Erweiterung oder beim seltenen Neuaufschluss von Abbaustätten vor zukünftigen Engpässen. Es gelte, immer wieder alle gesellschaftlichen Gruppen über die Bedeutung mineralischer Rohstoffe und die Umweltverträglichkeit ihrer Gewinnungsstätten zu informieren.

 Pius Geiger, Vizepräsident des Bayerischen Industrieverbandes Baustoffe, Steine und Erden e.V., stimmte dem zu. Wichtig sei, langfristig zu denken und für ausreichend genehmigte Gewinnungsstätten zu sorgen. Nur starke Verbände könnten gesellschaftliche und politische Diskussionen führen und für vernünftige Sichtweisen eintreten.

Prominenter Gast aus der Bundespolitik war im Hotel Kitzhof Steffen Bilger MdB (CDU), Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur. Er nahm vor allem die Mobilität der Zukunft in den Blick, zu der die Steine- und Erden-Industrie durch Verkehrswege entscheidend beiträgt. Auch in den kommenden Jahren bestünden die finanziellen Voraussetzungen für weitere Verbesserungen dieser Infrastrukturen. Das gelte sowohl im Straßen- als auch im Brückenbau und – so betonte Bilger: es gelte dauerhaft. Der sogenannte Investitionshochlauf sei kein kurzfristiges Phänomen. LKW- und PKW-Maut schüfen dafür die Voraussetzungen. Der Bundesverkehrswegeplan mit einer vierstelligen Anzahl von Projekten und einem Finanzvolumen von 270 Mrd. Euro werde umgesetzt. Dabei werde mehr als in der Vergangenheit auf den realen Bedarf eines Bundeslandes geachtet. Wichtig sei, dass genügend Projekt-Pläne vorgehalten würden und genügend Planer zur Verfügung stünden. Er freue sich, dass sich in seinem Heimatland Baden-Württemberg seine CDU mit den Grünen auf wichtige und große Infrastrukturprojekte geeinigt habe, etwa den Albaufstieg.
Bilger: „Ich habe inzwischen zusammen mit dem grünen Verkehrsminister richtig schöne Spatenstichtermine!“. Die anstehende Reform der Bundesfernstraßenverwaltung solle in diesem Zusammenhang für beschleunigte Planungen und schnellere Umsetzungen sorgen, aber: „Die Mittelstandsfreundlichkeit muss dabei gewährleistet bleiben!“ Er verstehe durchaus die Sorgen mittelständischer Verkehrswegebauunternehmen und nehme sie ernst. Ein beschleunigter Breitbandausbau sei dringend nötig. Die Berliner Koalition habe den Ehrgeiz, die selbstgesteckten Ausbauziele auch wirklich umzusetzen. Zusätzlich solle der neue Standard 5G in 50 Modellregionen Deutschlands getestet werden, die der Bund eigens fördern will. Bilger rief die Unternehmer dazu auf, entsprechende Ideen und Projekte einzureichen.

„Steine- und Erdenindustrie - Wegbereiter für Mobilität“ stand im Hintergrund zu lesen; Bilger plädierte passend dazu, die Mobilität von morgen elektrisch und vernetzt zu sehen. Er verlangte mehr Innovation und Risikofreudigkeit von der Industrie. Er sei überzeugt: „Deutschland kann Mobilität!“. Von Seiten der Unternehmer wurde der Wunsch geäußert, Achslasten und Tonnagen bei Rohstofftransporten erhöhen zu dürfen und bisherige Grenzwerte zu überprüfen. Das trage zur Verkehrsentlastung bei und sei klimafreundlich.

Weit in die Zukunft blickte der Wissenschaftler und Astronaut Prof. Dr. Ernst Messerschmid, als er die Raumfahrt und ihre immense Bedeutung für unseren Alltag auf der Erde vorstellte. Bereits bei seinem einwöchigen Raumflug an Bord des Shuttles „Challenger“ im Jahre 1985 habe Forschung im Mittelpunkt gestanden, die heute noch von Nutzen sei. Biologische, medizinische und werkstoffkundliche Experimente hätten zu entscheidenden Verbesserungen bei der Herstellung von Triebwerken und deren Teilen, aber auch bei der Therapie von Krankheiten geführt. Messerschmid: „Auch unsere Klimadiskussion würden wir heute anders führen, wenn wir die Raumfahrt und die ihr zu verdankenden Daten nicht hätten.“ Mond und Mars seien jetzt realistische Ziele, die sich am Horizont abzeichneten. Allerdings dürfe man nicht rücksichtslos mit diesen Himmelskörpern umgehen, sondern achtsam und nachhaltig. Rücksichtslose Ausbeutung dürfe es nicht geben.

Der Präsident der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR), Prof. Dr. Ralph Watzel, plädierte ebenfalls für Nachhaltigkeit im Umgang mit Bodenschätzen. Das gelte für mineralische Rohstoffe mit ihren großen Massenströmen wie für Hochtechnologiemetalle, sogenannte „seltene Erden“. Der BGR-Präsident beschrieb die Rolle seiner Bundesanstalt bei der Aufsuchung und Erforschung künftiger Rohstoffquellen am Beispiel von Tiefsee und Arktis. Es komme darauf an, frühzeitig Informationen zu sammeln, egal, ob jemals dort abgebaut werde. Gleichzeitig gelte es, bislang wenig bekannte Ökosysteme zu schützen. Weltraumbergbau bleibe auch in fernerer Zukunft wohl eher hypothetisch: „Wir dürfen die Lösung unserer irdischen Probleme nicht im All suchen, sondern auf der Erde.“

Image und Akzeptanz der Branche standen auch diesmal wieder im Fokus zahlreicher Vorträge. Sabine Schädle, Leiterin der Kommunikation bei der Holcim Süddeutschland GmbH in Dotternhausen, schilderte ihre leidvollen Erfahrungen mit Gegnern und Anfeindungen, welche den Kalksteinabbau auf dem Plettenberg im Visier haben. Ihre Erfahrung: Es zählt meist nicht das beste Argument, sondern das lauteste. Doch längst nicht die ganze Region sei gegen Rohstoffgewinnung. Die Befürworter müssten nur besser sichtbar und hörbar werden. Sie gab konkrete Tipps für Unternehmen.

Auch der Bundesverband Baustoffe – Steine und Erden e.V. (bbs) entwickelt Strategien für mehr Akzeptanz der Branche. Dr. Evin Zozan, zuständig für politische Kommunikation, betonte, man müsse Emotionen und Wissen über die Rohstoff-Industrie in Einklang zu bringen. Der bbs stelle entsprechende Plattformen zur Verfügung. Ihre Kollegin Tanja Lenz beschrieb die im Aufbau befindliche Biodiversitätsdatenbank als eines der wichtigen „Assets“ der Steine- und Erden-Industrie. Sie erlaube es, die Artenvielfalt in den Abbaustätten zu erfassen und zu beschreiben. 

Ein besonders gelungenes Beispiel für Information, Faszination und Glaubwürdigkeit stellte Ulrich Nolting vom InformationsZentrum Beton vor: die Kampagne „Beton. Für große Ideen“. Zusammen mit dem Extrembergsteiger Reinhold Messner habe man am jüngsten seiner sechs Bergmuseen gedreht, dem Kronplatz (Corones) in Südtirol. Dessen visionäre und elegante Architektur erreiche zusammen mit den Stellungnahmen Messners die Menschen, sorge für Faszination und für Emotionen, in Bezug auf die Berge und auf den Baustoff Beton.

Für Emotionen sorgte auch die Österreich-Premiere des neuen Films „1 kg pro Stunde“. Regisseur Søren Eiko Mielke hatte im Auftrag des Bundesverbandes Mineralische Rohstoffe MIRO einen Achtminüter produziert, der ebenfalls Überraschendes zu Tage brachte: Die wenigsten Menschen kennen ihren Bedarf an mineralischen Rohstoffen. Nicht wenige staunten über die Antwort: 1 kg pro Stunde! Mielke hatte mit seinem Filmteam im Sommer 2018 eine Deutschlandtour unternommen und an berühmten Bauwerken Fachleuten und Nutzern auf den Zahn gefühlt. Vom Leiter des Bahnprojektes Stuttgart 21 über den Platzwart in der Allianz-Arena und die Bauarbeiter im Kölner Dom bis zum Bundesverkehrsminister und zu den Besuchern des Berliner Regierungsviertels. Alles zur fetzigen Musik von „Wonderbrazz“. Die dänische Profi-Combo rockte durch den Film und – live auf der Bühne in Kitzbühel.

https://www.youtube.com/watch?v=HMf3XBuR5mY

Nachwuchs rückt auf - das noch neue WITA-Format ging diesmal in die zweite Runde: Junge Führungskräfte – zumeist aus familiengeführten Unternehmen stammend – berichteten über ihre Arbeit. In Kitzbühel griffen zwei „Junioren“ zum Mikrophon und sprachen über akademisch sehr anspruchsvolle Themen: Maximilian Kern (Kies und Beton AG, Baden-Baden) und Dr. Matthias Klöpfer (Gleis Lutz, Stuttgart). Kerns Thema war das „Human Ressource Management von Familienunternehmen“, Klöpfer beschäftigte sich mit der kartellrechtlichen Zulässigkeit von Arbeitsgemeinschaften (ARGE). Sie beide machten deutlich, auf welch hohem Niveau sich die Führungsaufgaben in mittelständischen Unternehmen heute stellen.

Auch die praktische Information kam in Kitzbühel nicht zu kurz. Referenten des Hauptsponsors Zeppelin-Caterpillar stellten moderne Baggertechnik und innovative Antriebssysteme bei ihren neuen Erdbaumaschinen vor. Auch hier gehören hochentwickelte elektronische Assistenzsysteme sowie energiesparende Hybridantriebe inzwischen dazu. Umweltfreundlichere Produktion und höhere Wirtschaftlichkeit seien die Ergebnisse.

Zu einer WITA gehört natürlich auch das eine oder andere Erlebnis im Schnee. Den Höhepunkt für eine kleine Anzahl erfahrener Skiläufer bildete sicher der Ausflug zur Streif, der legendären Rennstrecke am Hahnenkamm. Kein Geringerer als Fritz Strobl, Olympiasieger von Salt Lake City und Mannschaftsweltmeister im Alpinski, diente als Führer. Er hatte diese Abfahrt – eine der schnellsten und schwierigsten der Welt – zweimal bezwungen und dieses bedeutendste Rennen der Weltcup-Tour gewonnen. Tags zuvor hatte „Fritz, the Cat“ alle Teilnehmer der WITA originell und amüsant durch sein Leben und seine sportliche Karriere geführt.

Nervenkitzel konnten auch die Teilnehmer des Offroad-Fahrtrainings auf dem Gelände des Hartsteinwerks Kitzbühel erleben. Der Steinbruch diente schon als Kulisse für einen Heimatfilm in den sechziger Jahren und seit einiger Zeit auch für die TV-Reihe Soko Kitzbühel. So mancher erweiterte bei dieser Gelegenheit seinen fahrerischen Horizont bei Schrägpassagen, Buckelpisten und extremen Steilfahrten.

ISTE-Präsident Röhm‘s Fazit dieser WITA: „Unsere Mitglieder erweitern immer wieder ihre unternehmerischen Horizonte. Dazu hat diese Winterarbeitstagung bestens beigetragen.“