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1. September 2021

Sommerreise des Grünen-Fraktions-Chef Andreas Schwarz MdL- Blicke hinter die Kulissen der Rohstoff-Industrie

Sommerzeit ist Reisezeit. Nicht nur für viele Bürger, die Erholung suchen, sondern auch für Politikerinnen und Politiker, die den Dialog mit gesellschaftlichen Gruppen vor Ort anstreben. Einen solchen Termin hatte der Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90 / Die Grünen im baden-württembergischen Landtag, Andreas Schwarz MdL, jetzt im Kalender stehen. Er besuchte zwei Unternehmen der heimischen Rohstoff-Industrie in seinem Wahlkreis: die Alfred Moeck KG in Lenningen und die Jakob Bauer Söhne GmbH & Co.KG in Erkenbrechtsweiler. Rohstoffsicherung, Ressourcenschonung sowie Klima- und Naturschutz bildeten den inhaltlichen Rahmen.

Dem Landespolitiker erläuterte im Lenninger Steinbruch Moeck-Betriebsleiter Toni Pranghofer die Aufbereitung des Kalksteins zu Produkten, die im Hoch- und Straßenbau, aber auch bei der Glasherstellung und in der Futtermittelindustrie eingesetzt werden. „Ein sehr breites Spektrum decken mineralische Rohstoffe wie unser Kalkstein ab“, erklärte er. „Sie leisten einen wichtigen Beitrag zu unser aller Wohlstand.“

Mit einem gewissen Stolz zeigte Wolfgang Bauer, geschäftsführender Gesellschafter des Schottervertrieb Vordere Alb SVA, zu dem beide Betriebe gehören, dem Grünen-Politiker die beiden neuen Diesel-Hybrid-Radlader bei Moeck. „Jeweils 500 PS stark, aber 60 Prozent sparsamer“, erläuterte Bauer. „So geht Klimaschutz konkret.“

Eine andere Facette sei mit Blick auf Klimaschutz der Plan seines Unternehmens, auf dem rekultivierten Gelände des Steinbruchs der Firma Bauer in Erkenbrechtsweiler eine große Freiflächen-Photovoltaik-Anlage zu errichten. „Dies wäre ein weiterer wichtiger Beitrag zur Energiewende“, erklärte Bauer dem Grünen-Politiker Schwarz. „Nur: Wir stoßen auf Widerstände.“ So stünden naturschutzrechtliche Vorschriften einer Genehmigung entgegen, welche auch der anwesende Erkenbrechtsweiler Bürgermeister Roman Weiß unterstützen würde. Es handele sich um einen Zielkonflikt, bei dessen Auflösung man auf die Politik hoffe. Schwarz versprach, sich näher mit dem Thema zu beschäftigen und nach einem Kompromiss zu suchen.

Von Konflikten und Kompromissen konnten dem Fraktionsvorsitzenden auch die Vertreter des Industrieverbandes Steine und Erden Baden-Württemberg e.V. (ISTE) berichten, allen voran Hauptgeschäftsführer Thomas Beißwenger: „Unsere Gesellschaft ist sich mehrheitlich nicht bewusst, wie wichtig die Produktion und der Einsatz heimischer mineralischer Rohstoffe sind, und zwar ökologisch und ökonomisch. Das gilt leider auch für so manchen Politiker.“ Damit, so Beißwenger, sei Schwarz allerdings nicht gemeint, denn er besuche nicht zum ersten Mal Betriebe der Rohstoff-Industrie. Beißwenger: „Wir brauchen einen permanenten Dialog mit allen Beteiligten, und wir brauchen Kompromissbereitschaft.“

Dass Kompromisse grundsätzlich möglich sind, konnte Dr. Bernd Susset, ISTE-Referent für Umweltschutz, Ressourcenschonung und Kreislaufwirtschaft, anhand der nach 16 Jahren der Diskussion kürzlich verabschiedeten Mantelverordnung beweisen: „Die Mantelverordnung regelt die massenmäßig wichtigsten Abfallströme: das Recycling von mineralischen Ersatzbaustoffen in technischen Bauwerken – Bauabfälle, Boden, Schlacken, Aschen -, und die Verwertung von Boden in Abgrabungen, also bei der Rekultivierung. Im ersten Fall handelt es sich allein in Baden-Württemberg um 10 Mio. Tonnen jährlich, im zweiten Fall um 22 Mio. Tonnen. Hier ändert sich mit Inkrafttreten der Mantelverordnung im Jahre 2023 Entscheidendes. Das ist den wenigsten Menschen bewusst.“

Andreas Schwarz interessierten in erster Linie die praktischen Konsequenzen des neuen Regelwerkes. Susset erläuterte, dass sämtliche Ländererlasse in diesem Bereich durch die Mantelverordnung in anderthalb Jahren abgelöst würden. Dem habe das von einem grünen Minister geführte Umweltministerium in Stuttgart lobenswerterweise vorgebaut durch Untersuchungskampagnen, welche die praktischen Konsequenzen der neuen Verordnung erforschen sollten. Trotzdem drohe durch höheren Aufwand in der Qualitätskontrolle und Güteüberwachung ein deutlich größerer bürokratischer Aufwand, so Susset.

Deshalb könne eine erfolgreiche Umsetzung der Mantelverordnung nur gelingen, wenn Politik, Verwaltungsvollzug und Industrie an einem Strang zögen, so der Geologe. Seine Forderungen: Die öffentliche Hand müsse ihre Vorbildfunktion wahrnehmen, insbesondere bei produktneutralen Ausschreibungen. Susset: „Wir brauchen jetzt Akzeptanz für Ersatzbaustoffe, und zwar nicht nur für die beste Qualität RC-1, sondern auch für den umweltgerechten Einsatz von RC-2- und RC-3-Material. Die Einbauweisen sind klar geregelt.“

Angebote zur praktischen Umsetzung der Mantelverordnung seitens des ISTE und des Qualitätssicherungssystem Recycling-Baustoffe Baden-Württemberg e. V. (QRB), deren Geschäftsführer Susset ist, lägen vor. Schwarz sprach sich dafür aus, frühzeitig ein Expertengremien zu bilden, um klare Handlungshilfen zu entwickeln.

Jochen Roeder, ISTE-Referent für Bürgerbeteiligung, Biodiversität, Arten- und Gebietsschutz, erläuterte dem Grünen-Fraktions-Chef die Bedeutung von Abbaustätten für den Natur- und Artenschutz: „Es ist bei Biologen und auch bei Naturschutzverbänden inzwischen unstrittig, dass dezentrale Gewinnungsstätten für den Biotopverbund ein unschätzbares Gewicht haben. Dabei spielt auch das Thema ‚Natur auf Zeit‘ eine gehörige Rolle. Amphibien wie die bedrohte Gelbbauchunke etwa brauchen zur Vermehrung Flachgewässer, wie sie die Pfützen in den Fahrspuren der SKW und LKW in den Steinbrüchen darstellen. Die gibt es aber nur übergangsweise.“

Dass Abbau von Rohstoffen, Tierpopulation und Artenvielfalt durchaus miteinander vereinbar sind, konnte Gastgeber Wolfgang Bauer dem Landespolitiker am Beispiel von Uhus verdeutlichen: „Auch wir haben Uhus in unseren Steinbrüchen. Die siedeln sich dort an, wo etwas los ist und sie Beute finden. Die lauern manchmal unmittelbar neben einer arbeitenden Planierraupe und lassen sich nicht stören!“

Blicke hinter die Kulissen der Rohstoff-Industrie und Einblicke für einen hochrangigen Landespolitiker in die praktische Lebenswelt von Baustoffproduzenten und von Raubvögeln. Ausbeute einer Bildungsreise der besonderen Art.