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22. März 2023

Rohstofftag Baden-Württemberg 2023: Dialogforum rund um Rohstoffsicherung und Klimaschutz

Zum ersten Mal seit 16 Jahren fand Ende März 2023 in Baden-Württemberg wieder ein Rohstofftag statt. Verbände der baden-württembergischen Rohstoff- und Bauwirtschaft sowie des Naturschutzes, als auch Vertreter aus Wissenschaft und der Regionalverbände trafen sich auf Einladung des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft in Stuttgart, um Sicherung, Versorgung und Nutzung heimischer mineralischer Rohstoffe zu diskutieren. Zentrale Themen: Nachhaltiger und schonender Umgang mit heimischen Vorkommen, Substituierung von Primär- durch Sekundärrohstoffe sowie die Bedeutung der Rohstoff-Industrie für die Energiewende.

„Wir wollen Baden-Württemberg zu einem Vorzeigeland der circular economy machen, auch bei den mineralischen Rohstoffen.“ Der Staatssekretär im Stuttgarter Umweltministerium, Dr. Andre Baumann MdL, blickte ambitioniert vor rund 200 Teilnehmenden in die fernere Zukunft. Im Land sei man zwar reich gesegnet mit Lagerstätten mineralischer Rohstoffe, doch diese seien eben nicht gleich verteilt. Man müsse möglichst dezentral Gewinnungsstätten erhalten, um kurze Transportwege zu gewährleisten. Öffentliche Akzeptanz erziele man dabei nur durch Kommunikation und Bürgerbeteiligung.

Baumann betonte die Bedeutung von Rohstoffströmen: „Die Ukraine-Krise hat gezeigt, wie wichtig es ist, mineralische Rohstoffe im Land zu haben.“ Man müsse sich nur umschauen, um zu sehen, wie viel mit Stein gebaut ist. Er verwies auf das Rohstoffkonzept der Landesregierung und forderte praktikable und innovative Lösungen, um den Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg zu sichern, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen und den ökologischen Umbau zu bewerkstelligen. Hier komme der heimischen Rohstoffindustrie große Bedeutung zu, etwa durch Nutzung abgebauter Flächen für Photovoltaikanlagen oder ihren Beitrag zur Herstellung CO₂-reduzierter Zemente und rezyklierter Baustoffe.

Gemeinsames Grußwort der baden-württembergischen Rohstoff- und Bauwirtschaft, des Naturschutzes und der Regionalverbände

Dem stimmte Oliver Mohr, Vizepräsident des Industrieverbandes Steine und Erden Baden-Württemberg e.V. (ISTE), zu. Bei der Energiewende könne die Rohstoffwirtschaft wichtiger Partner sein. Allerdings begrenze der Gesetzgeber das Potenzial schwimmender PV-Anlagen auf Baggerseen durch eine Deckelung auf 15% der Wasserfläche und auf einen Abstand von mindestens 40 Meter zum Ufer. Dies sei angesichts der Größe und Struktur hiesiger Baggerseen völlig unverständlich. Bei der Erarbeitung der Rahmenbedingungen für die Nutzung, den Transport und die Entsorgung von Kohlenstoffdioxid als wesentlichen Standortfaktor für den Fortbestand der heimischen Zementproduktion habe die Politik noch einiges zu tun. Auf Seiten der Zement- und Betonindustrie sei man bei der Reduktion von CO₂-Emissionen schon recht weit und könne erste Erfolge verzeichnen.

In seinem gemeinsamen Grußwort – auch im Namen des Naturschutzbundes Baden-Württemberg (NABU), der Bauwirtschaft Baden-Württemberg sowie der Arbeitsgemeinschaft der Regionalverbände – ging der ISTE-Vizepräsident auf gemeinsame Aufgaben ein. So müsse die Raumplanung die Voraussetzungen schaffen für die Sicherung heimischer Rohstoffe und eine dezentrale Verteilung von Gewinnungsstätten. Eine zu starke räumliche Ausdünnung und Konzentration von Steinbrüchen, Kiesgruben und Baggerseen bringe erhebliche ökonomische und ökologische Nachteile mit sich. Doch der Begründungsaufwand für Erweiterungen und Neuaufschlüsse von Abbaustätten habe sich vervielfacht. Konfliktfreie Bereiche für eine Rohstoffgewinnung seien rar geworden. Bei Artenschutz und biologischer Vielfalt trat Mohr für praktikable und rechtssichere Lösungen ein – mit geringem bürokratischen Aufwand und ohne den Schutzstatus abzusenken

Preisgekrönte Ressourcenschonung

Wie geologisch und technisch aufwändig praktische Ressourcenschonung sein kann, erklärte Thorsten Volkmer von der Kies und Beton AG Baden-Baden. Deren Tochterunternehmen Wilhelm Stürmlinger & Söhne GmbH & Co. KG verwertete das Gestein aus der Bohrung des ICE-Tunnels bei Rastatt und bereitete es zu hochwertigen Baustoffen auf. Vor zehn Jahren habe es erste Aufbereitungsversuche gegeben. Das Problem: Es handelte sich um grubenfremdes Material, das nicht aus einem Baggersee stammt. Erst nach langen und komplizierten Genehmigungsverfahren habe man die mehr als 2 Mio. Tonnen Sand, Kies und Lockergestein in einem innovativen Verfahren zu Baustoffen verarbeiten dürfen. Thorsten Volkmer: „Hier gibt es keine Abfälle mehr – das ist Recycling pur!“ Belohnt wurde das Unternehmen dafür mit deutschen und europäischen Nachhaltigkeitspreisen.

Herausforderung „Natur auf Zeit“

Johannes Enssle, NABU-Landesvorsitzender, und Jochen Roeder, Biologe bei der Heinrich Krieger KG, identifizierten Gewinnungsstätten als Ersatz für verschwundene Lebensräume für viele Tiere und Pflanzen. An konkreten Beispielen wiesen sie nach, dass trotz aktiver Rohstoffgewinnung eine deutlich größere Artenvielfalt zu verzeichnen sei. Deshalb müsse ein sogenanntes „Vermeidungsmanagement“ unbedingt verhindert werden. Dem Konzept „Natur auf Zeit“ gehöre die Zukunft – davon seien Naturschutzverbände und Industrie überzeugt. Es gelte jetzt, schnell Rechtsicherheit zu schaffen.

Innovative Lösungen der Zementindustrie

Zur Minderung des CO₂-Fußabdrucks der Zementindustrie arbeiten Unternehmen in Deutschland seit Jahren an innovativen Lösungen. Die Herausforderungen umriss Dr. Martin Schneider, Hauptgeschäftsführer des Vereins Deutscher Zementwerke e.V. (VDZ). Als fantastisches Bindemittel für die Herstellung von Betonen sei Zement unverzichtbar. Allerdings fielen bei seiner Herstellung prozessbedingt große Mengen von CO₂ an. Während der CO₂-Ausstoß bei den eingesetzten Brennstoffen bereits in der Vergangenheit reduziert werden konnte, liegt der Fokus nun auf der Reduzierung des Klinkeranteils im Zement, der Recarbonatisierung von Beton und ganz maßgeblich auf der Nutzung und Speicherung von abgeschiedenem CO₂.

Als Zement der Zukunft stellte Dr. Hendrik Möller von der Celitement GmbH & Co. KG das gleichnamige Produkt vor. Celitement seien hochwertige hydraulische Bindemittel, deren Herstellung im Vergleich zu Portlandzementklinker bis zu 50 % weniger prozessbedingtes CO₂ freisetze. Man sei optimistisch, nach der laufenden Pilotphase marktfähige und klimafreundliche Produkte anbieten zu können.

Ebenfalls in der Pilotphase befindet sich das Projekt „catch4climate“ im SCHWENK-Zementwerk Heidenheim-Mergelstetten, welches dessen Technischer Direktor, Jürgen Thormann, vorstellte. Die vier Projektpartner des Konsortiums CI4C (Cement Innovation for Climate) arbeiteten hier an dem Ziel, eine effiziente Abscheidung von über 90% CO₂ aus den Abgasen des Zementofens zu erreichen. Nach einer Reinigung solle dieses Gas anschließend für die Produktion von klimaneutralen synthetischen Kraftstoffen (reFuels) zu Verfügung stehen. Eine eigene Demonstrationsanlage im halbindustriellen Maßstab sei im Bau, so Thormann. Der Politik stelle sich jetzt die Aufgabe, für den Transport und die unterirdische Lagerung des abgeschiedenen CO₂ die nötigen Rahmenbedingungen zu schaffen.

Transparenz geologischer Daten

Das Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau Baden-Württemberg skizzierte zum Schluss unter anderem die Vorgehensweise des Landes zur Umsetzung des Geologiedatengesetzes. Demnach erfolgt eine Anhörung zur Festsetzung der Datenkategorie für alle geologischen Daten, die vor Inkrafttreten des Gesetzes übermittelt wurden. Die Dateninhaber können sodann Stellung hierzu beziehen und die Festsetzung der jeweiligen Datenkategorie überprüfen, dies gilt insbesondere angesichts der Veröffentlichung von Fachdaten durch das LGRB nach zehn Jahren, welche von der Industrie bereits im Gesetzgebungsprozess kritisiert wurde.