Chancen und Grenzen von R-Beton
Recycling-Beton ist ein interessanter Werkstoff der Zukunft, aber man darf seine quantitativen Möglichkeiten auch nicht überschätzen – so ließe sich die Stellungnahme von Dr. Michael Aufrecht und Dr. Bernd Susset auf der 5. Jahrestagung des Deutschen Ausschusses für Stahlbeton in Kaiserslautern kurz zusammenfassen. In deren Rahmen hatte die Technische Universität auch ein erstes "Fachsymposium Beton mit rezyklierten Gesteinskörnungen" ausgerichtet.
Unter dem Motto "R-Beton - Werkstoff der nächsten Generation" loteten über 100 Teilnehmer zwei Tage lang zusammen mit den Referenten und Referentinnen aus Politik, Verwaltung, Wissenschaft und Praxis die Chancen und Grenzen von R-Beton aus. Dr. Michael Aufrecht (ISTE-Fachgruppe Transportbeton mit Abteilung Betonpumpen) berichtete über Weg und Ziel von R-Beton im Land Baden- Württemberg. Er arbeitete die mangelnde flächendeckende Verfügbarkeit geeigneter RC-Gesteinskörnungen als wesentlichen limitierenden Faktor für R-Beton heraus.
Dr. Bernd Susset (ISTE-Fachgruppe Recycling-Baustoffe und Boden) ergänzte den Beitrag mit einer Sensitivitätsanalyse der Massenströme in Baden-Württemberg. Die graphische Analyse der Massenströme der Steine- und Erdenindustrie in Baden-Württemberg auf der Basis der Statistiken aus dem Rohstoffbericht 2015 des Landesamtes für Geologie, Rohstoffe und Bergbau und der Abfallbilanz 2016 des Statistischen Landesamtes Baden-Württemberg zeigt: Rund 90 Millionen Tonnen des jährlichen Bedarfs in Baden-Württemberg von 100 Millionen Tonnen mineralischen Rohstoffen wird bedarfsdeckend aus Steinbrüchen, Baggerseen, Kiesgruben und Bergwerken gewonnen. Die restlichen rund 10 Millionen Tonnen Gesteinskörnungen sind RC-Baustoffgemische, die aus Bauschutt und Straßenaufbruch aufbereitet werden. Damit wird Bauschutt und Straßenaufbruch zu mehr als 90 % verwertet.
Aufgrund des begrenzten Materialrückflusses kann der Anteil recycelter Gesteinskörnungen bei gleichbleibendem Gesamtbedarf max.10 % betragen. Denn auch der größte Anteil der Bau- und Abbruchabfälle, der Stoffstrom “Boden und Steine“, wird zu mehr als 80 % in Verfüllungen verwertet, um dort den Rekultivierungsverpflichtungen nachkommen zu können. Die Graphik verdeutlicht zudem die große Bedeutung des Straßen-, Wege- und Erdbaus und der Asphaltherstellung für das Recycling von RC-Baustoffgemischen. 99% der RC-Baustoffgemische werden im Verkehrswegebau verwertet. Der Anteil recyclierter Gesteinskörnungen für Beton beträgt derzeit 0,8 % bzw. rund 70.000 Tonnen pro Jahr.
Das Sensitivitätsmodell erlaubt ein besseres Verständnis der Abhängigkeiten des Massenstroms mineralischer Rohstoffe jetzt und in der Zukunft. Nimmt man eine Verzwanzigfachung von R-Beton und der Rückgewinnung von Steinen aus Verfüllmaterial mit Bodenwaschanlagen in den nächsten 15 Jahren in Baden-Württemberg an (von derzeit 70.000 Tonnen auf 1,4 Mio Tonnen R-Beton/a bzw. von 50.000 Tonnen auf 1 Mio. Tonnen rückgewonnener Steine pro Jahr), dann würde bei gleichbleibendem Gesamtrohstoffbedarf der Anteil an Primärrohstoffen kaum merklich zurückgehen - die sonstigen konjunkturellen Schwankungen sind für den Primärrohstoffanteil am Gesamtbedarf viel bedeutender.
Eine weitere wichtige Erkenntnis aus dem Modell: Steigt der Bauschuttanteil im gleichen Zeitraum um nur 15 % an (was wegen der Zunahmen des Bauens im Bestand mindestens zu erwarten ist), so reicht der Verwertungsweg R-Beton nicht aus, um die zusätzlichen Mengen aufzunehmen, sondern der Straßen-, Wege und Erdbau müsste noch größere RC-Mengen aufnehmen.
Fazit der beiden Experten: Der ISTE unterstützt deshalb R-Beton als zusätzlichen Verwertungsweg, betont aber gleichzeitig die Bedeutung der geplanten Mantelverordnung zur bundeseinheitlichen Regelung des Baustoffrecyclings im Bereich des Straßen-, Wege- und Erdbaus, die am 03. Mai 2017 durch die Bundesregierung beschlossen wurde.
Weitere Forschungen nötig
Auch in der anschließenden Podiumsdiskussion kam man zu einem sehr einheitlichen Resümee: R-Beton funktioniere am besten in den derzeit nach Normen zulässigen Rezepturen mit maximalen Anteilen von rezyklierten Gesteinskörnungen von 25 bis 35 %. Zur Steigerung der Anteile rezyklierter Gesteinskörnungen im Betonmix herrsche weitere Forschungsbedarf. Tendenziell gelte es, je höher der Anteil, umso komplizierter und aufwändiger werde die Beurteilung dieser Betone.
Man sollte mittelfristig bei einfachen Rezepturen bleiben, mit Anteilen etwas unter der Maximalwerte von rund 30 %, denn das größte Potential von R-Beton liege in der Möglichkeit, dass mehr Betonproduzenten solche "einfache Rezepturen" zunehmend anbieten. Es sei nicht sinnvoll, dass einzelne Anbieter die Grenzen der Rezepturen mit dann größeren Unsicherheiten ausreizten.
Maßgeblicher limitierende Faktor für R-Beton sei und bleibe mittelfristig die bisher nicht flächendeckende Verfügbarkeit geeigneter und qualitätsgesicherter RC-Körnungen für R-Beton. Man war sich einig, dass vor diesem Hintergrund Pflichtquoten von R-Beton keinen Sinn machen. Schließlich seien die RC-Körnungen aus demografischen Gründen in Deutschland nicht immer dort verfügbar, wo sie gebraucht würden. Pflichtquoten könnten klimaschutzpolitisch sogar kontraproduktiv wirken, wenn nur um des "R-Beton willens" unsinnig lange Transportwege zurückgelegt werden müssten.