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21. Oktober 2019

Grünen-Politikerin Erikli und Staatssekretär Baumann im Kieswerk Meichle + Mohr

 

„Rohstoffgewinnung und Naturschutz sind keine Gegner!“

Rohstoffgewinnung und Naturschutz sind keine Gegner und schließen einander nicht aus – diese Feststellung ist ein Resultat des besonderen Besichtigungs- und Dialogtermins, zu dem die Grünen-Landtagsabgeordnete Nese Erikli den Staatssekretär im Stuttgarter Umweltministerium, Dr. Andre Baumann, ins Kieswerk des ISTE-Mitgliedsunternehmens Meichle + Mohr in Radolfzell eingeladen hatte. Zusammen mit der Firmenleitung sowie mit interessierten Bürgern diskutierten sie vor Ort grundsätzliche und lokale Fragen der Kiesgewinnung in der Bodenseeregion. Einig war man sich, dass es zum Dialog zwischen Rohstoffwirtschaft, Naturschutz, Politik und Verwaltung keine Alternative gebe.

Bei der jüngsten Hauptversammlung des Industrieverbandes Steine und Erden Baden-Württemberg e.V. (ISTE) in Konstanz hatten Nese Erikli und Meichle+Mohr Geschäftsführer Oliver Mohr diesen Werksbesuch vereinbart. Immerhin stehe der Kiesabbau in Oberschwaben und am Bodensee vielfach in der Kritik. Es liege sowohl im Interesse der Politik wie der Kies gewinnenden Unternehmen, klärend und aufklärend miteinander zu sprechen.

Insbesondere Kiesexporte nach Österreich und in die Schweiz treffen auf Einwände in der Bevölkerung. Viele Menschen beschweren sich über die damit verbundene Verkehrsbelastung sowie über den erhöhten Flächenverbrauch auf deutscher Seite. Sein Unternehmen führe rund 15 Prozent seiner Produktion in diese beiden Länder aus, erläuterte Seniorchef Dr. Rolf Mohr. Auch Österreich und die Schweiz gehörten ungeachtet der Grenzen zum regionalen Markt für Rohstoffe, die es ohne lange Transportwege klimafreundlich zu den Kunden zu bringen gelte, betonte er.

Staatssekretär Baumann erklärte, dass das Land eine Konzeption zur nachhaltigen Nutzung mineralischer Rohstoffe erarbeitet. „Kies, Sand und Co. gehören zu natürlichen Rohstoffen unseres Landes, die es nachhaltig zu nutzen gilt“, sagte Baumann. Es sei aber wichtig, dass Massengüter wie Sand, Kies und Steine nicht über große Strecken transportiert, sondern dezentral gewonnen und genutzt würden. „Wir führen darum das Gespräch mit Vorarlberg, damit dort Kiese gewonnen und nicht größtenteils aus dem benachbarten Ausland importiert werden. Wir wollen nicht, dass die mit dem Kiesabbau verbundenen Umweltlasten exportiert werden.“ Wichtig sei, dass auch Vorarlberg eine vorausschauende Regionalplanung für den Rohstoffabbau mache.

Nese Erikli wies auf den aktuellen Bauboom hin, der auf zahlreiche und größere Infrastrukturmaßnahmen sowie auf erhebliche Anstrengungen im Wohnungsbau zurückgehe. Es gelte, ein Gleichgewicht zu schaffen zwischen diesem gesellschaftlich induzierten Bedarf an Rohstoffen und den Erfordernissen des Natur- und Artenschutzes.

Dem stimmte Dr. Mohr grundsätzlich zu. Er erläuterte seinen Gästen auf dem aus 60 m Seetiefe Kies und Sand fördernden Schwimmbagger die technischen Einzelheiten der Gewinnung. Gleichzeitig wies er darauf hin, dass zwischen zweieinhalb und vier Hektar des Betriebsgeländes der Natur überlassen blieben. Mohr hat eine über zwei Jahrzehnte dauernde wissenschaftliche Langezeitstudie initiiert und größtenteils finanziert, deren Ergebnisse in dem Buch „Entwicklung einer Kiesabbaulandschaft im Hegau am westlichen Bodensee“ veröffentlicht wurden.

Dessen Autor, Jürgen Trautner, konnte von zahlreichen seltenen und bedrohten Tier- und Pflanzenarten berichten, die sich auf dem Gelände der Gewinnungsstätte angesiedelt haben. Dabei unterlägen diese Bereiche einer erheblichen Dynamik und orientierten sich am Rohstoffabbau. Allerdings nehme die Artenvielfalt der naturbelassenen Fläche zu, je größer diese sei und je länger sie sich selbst überlassen bliebe. Natur sei nicht immer das, was Menschen als schön ansähen. Trautner begleitet Meichle + Mohr seit den 1990er Jahren wissenschaftlich.

Staatssekretär Baumann, ein ausgewiesener Naturschutzexperte, begrüßt diese Dynamik der Abbaustätten ausdrücklich. „In Abbaustätten finden Tier- und Pflanzenarten eine neue Heimat, die frühen in Wildflusslandschaften zuhause waren. Der Radlader ersetzt das Hochwasser. Der Flussregenpfeifer brütet nicht mehr auf Kiesbänken der Flüsse, sondern in Kiesgruben.“

Alle Beteiligten waren sich des Dilemmas zwischen dem hohen gesellschaftlichen Bedarf an mineralischen Rohstoffen wie Kies und Sand und den für dessen Gewinnung benötigten Flächen bewusst. Dr. Rainer Luick, Professor für Natur- und Umweltschutz an der Hochschule Rottenburg, sah hier noch erhebliches Verbesserungspotential. Bekannte Rohstoffvorkommen sollten zunächst erschlossen werden, bevor deren Flächen bebaut oder anderweitig genutzt würden. Er wies außerdem darauf hin, dass es nicht immer erstrebenswert sei, erschlossene Gewinnungsflächen zu rekultivieren mit dem Ziel, deren vorherigen Zustand wiederherzustellen. Vielmehr sollten Magerflächen, wie sie durch die Rohstoffgewinnung entstünden und in der ansonsten intensiv genutzten Landschaft nur mehr selten vorkämen, als solche erhalten werden.

Auf die Bedeutung von Recycling-Baustoffen zur Schonung der Lagerstätten wies der Hauptgeschäftsführer des ISTE, Thomas Beißwenger, hin. Immerhin nutze man in Baden-Württemberg 10 Millionen Tonnen an Recycling-Material. Baumann lobte den Einsatz von Recycling-Baustoffen und warb für eine verstärkte Verwendung.