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14. März 2024

13. Baustoff-Technik-Tag – Ausblicke und Innovationen für klimasicheres Bauen

Die Anforderungen für den Wohnungs- und Straßenbau der Zukunft sind hoch. Es gilt, möglichst schnell klimaneutral zu werden, dabei jedoch die hohe Bauqualität beizubehalten sowie regional und heimisch zu produzieren, damit „die Gesellschaft auch in Zukunft auf die Bau- und Rohstoffbranche bauen kann“ – wie der Vizepräsident des Industrieverbands Steine und Erden Baden-Württemberg e.V. (ISTE) Thomas Karcher die Anstrengungen der Branche bei seiner Begrüßung auf dem jährlichen Baustoff-Technik-Tag zusammenfasste.

Dort kommen Vertreter:innen von Industrie, Wissenschaft und Behörden zusammen, um sich über neue Themen, Technik und Innovationen in der Branche auszutauschen. Dieses Jahr diskutierten und informierten sich rund 70 Teilnehmende am 6. Februar in Filderstadt über die entscheidende Frage – wie schaffen wir die klimaneutrale Transformation und welche Lösungsansätze halten Technik, Politik und Forschung bereit?

Heller Asphalt und Recycling – die Straßen der Zukunft

Aus Sicht der Verwaltung bedeutet das vor allem durchdachtes Investitionsmanagement. Vera Schmidt aus dem Referat für Straßenbautechnik, Wiederverwertung und Vergabewesen im Ministerium für Verkehr Baden-Württemberg berichtete über die Innovationen der Landesregierung in der Verkehrsinfrastruktur. Aus den Zahlen werde deutlich, dass die Landesregierung den Schwerpunkt darauf setze, die Infrastruktur zu erhalten, anstatt sie neu zu bauen, erklärte die Oberbaurätin.

„Der Wille der Landesregierung, klimafreundliche Techniken zu fördern, ist groß“ so Vera Schmidt und fügte mit Blick auf deren Eckpunktepapier zur CO2-Reduktion an: „Um CO2 zu reduzieren, braucht es eine rasche Mobilitätswende und einen guten Austausch mit der Industrie.“ Denn auch durch Baustoffe und Bauverfahren in der Straßen- und Verkehrsinfrastruktur könnten wesentliche Emissionen eingespart werden, so die Referentin. Als technischen Ansatz nannte Schmidt aufgehellte Asphaltdeckschichten, die – neben mehr Beschattung – die Oberflächentemperatur deutlich senken und das Mikroklima verbessern können, wie aktuelle Pilotprojekte zeigten.
Allerdings betonte sie, dass man in Baden-Württemberg mit der alpinen Moräne als gängig verwendeten hellen Naturstein bereits von einem sehr hohen Niveau aus starte und demnach dieser regionale Rohstoff weiter gefördert werden sollte.

Um die Aufhellung von Verkehrsflächen ging es auch beim Vortrag von Lena Mugele, Masterabsolventin der Hochschule für Technik in Stuttgart, die ihre Forschungsarbeit präsentierte. Sie untersuchte, welche Oberflächeneigenschaften eine Aufheizung in Städten verringern könnte – Stichwort: Klimawandel und Klimaanpassung. Eine Parameterstudie ihrer Ergebnisse zeigte, dass Asphalte mit einer hohen Rohdichte, hoher Wärmeleitfähigkeit und hohem Wärmeübergangskoeffizient sowie geringem Absorptionsgrad abkühlend wirken. Vor allem helle Oberflächen, wie zum Beispiel weiß eingefärbter oder sandgestrahlter Asphalt, sowie Waschbeton zeigten diese Eigenschaften. Für den städtebaulichen Wandel müsse man neben aufgehellten Straßenoberflächen auch für genügend Frischluft in den Städten sorgen, um mehr Kühlung zu ermöglichen, so Lena Mugele.

Björn Beutinger von der Autobahn Südwest GmbH stellte aktuelle regionale Pilotprojekte zur ressourcensparenden Prozessoptimierung im Autobahnbau vor. Dazu gehöre es, Transportwege zu verkürzen und Granulat möglichst gleich vor Ort wiederzuverwenden, Bauaufträge anhand von emissionsangepasster Vergabekriterien zu vergeben sowie die Asphalttragschicht langlebiger zu konzipieren – „wir erhoffen uns so eine längere Nutzungsdauer des eingesetzten Rohstoffes“, betonte er. Personalmangel und komplexe Auflagen der Verwaltung stellten jedoch eine große Herausforderung für die innovative Autobahninstandhaltung dar.

Zur Baustofftechnik gehört auch das bestehende Regelwerk. Hannes Krüger, Geschäftsführer Technik beim Bundesverband der Deutschen Transportbetonindustrie e.V. (BTB) stellte die neue Normengeneration DIN 1045 für den Betonbau vor, die seit August 2023 in Kraft ist. Er gab in seinem Vortrag umfangreiche Einblicke in deren Teil 2 und in den neuen Teil 1000. Für die Herstellung und Lieferung von Transportbeton sei Teil 2 der DIN 1045 weiterhin das relevante Dokument. Die neue Ausgabe enthalte dabei sowohl die Abschnitte aus der EN 206 als auch die nationalen Ergänzungen zum BBQ-Konzept. DIN 1045-2 ersetze somit den bisherigen DIN-Fachbericht 100.
Die komplett neue Norm DIN 1045-1000 beschreibe das BBQ-Konzept mit dem zugehörigen Kommunikationsprozess. Diese neue Norm übernehme damit die Schnittstelle von Planung, Betontechnik und Bauausführung und stellt somit die Qualität im Betonbau sicher.

R-Zement, Beton aus dem 3D-Drucker und Grinding – reale technische Lösungen

Bei aller Anstrengung zur Optimierung – es wird bereits viel recycelt. Frank Schlotter und Horst Erler von Holcim Süddeutschland GmbH sowie Michael Brogle von Neustark sprachen sich gemeinsam in einem starken Plädoyer für mehr Tempo in Richtung Kreislaufwirtschaft aus. Beton sei das mengenmäßig meistverbaute Material und sorge global für 7-8% aller klimaschädlichen Emissionen. Das müsse sich angesichts der dramatischen Klimalage schnell ändern. 
Die beiden Firmen brachten dafür konkrete Erfahrungen aus der Schweiz mit. Technisch habe sich beim qualitativ hochwertigen Beton- und Zementrecycling viel getan, der Haken sei in Deutschland die Zulassung. „Die Schweiz hat diesen Zement schon lange“ – seit 2017, so Erler. Mischgranulat sei dort für alle Anwendungen zugelassen und sogar in die Norm aufgenommen. Neustark gehe laut Brogle sogar noch einen Schritt weiter und rekarbonatisiere Beton, finanziert durch freiwilligen Emissionshandel. Fazit: „wir müssen schneller werden, damit uns die Zukunft nicht einholt“.

Nach Zukunftsmusik sieht der mobile 3D-Betondrucker KARLOS von Putzmeister Holding GmbH aus. Markus Schilling erklärte die vollautomatisierte Betonverarbeitungstechnik des Baumaschinenherstellers. Dabei kämen auch elektrische Maschinen für verschiedenste Produktionsschritte zum Einsatz, wie zum Beispiel eMischer. Die Vision: „Wir wollen einen durchgängigen digitalen Prozess, um nachhaltiger und kosteneffizienter zu bauen.“

Zurück zur alten Fahrbahn – Innovation bedeutet auch, Bestehendes und Altbewährtes technisch zu sanieren und im Sinne der Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung möglichst lange zu erhalten. Thomas Wolf von STRABAG GmbH zeigte einen solchen technischen Weg auf: beim sogenannten „Grinding“ werden Rillen längs in die Deckschicht von Autobahnen aus Waschbeton eingefräst. Das Ergebnis: nur drei Millimeter dünner und die Fahrbahn ist spürbar griffiger und ebener, was wiederum den Verschleiß verlangsamt und lärmmindernd wirkt. Auch Zement kann dadurch bei neuen Strecken teilweise gespart werden.

Daniel Schulz brachte ebenfalls eine Innovation von bereits etablierten Prozessen mit. „INSITER ist ein Schnittstellennormierungskonzept“, so der Vertreter der Oberrhein-Handels-Union GmbH & Co. KG. Die digitale Abwicklung von Prozessen sei unumstößlich geworden, der Informationsbedarf wachse stetig und es müssten Rahmenbedingungen mit sicheren, einfach anwendbaren technologie- und softwareoffenen Systemen geschaffen werden. Der Arbeitskreis Digitalisierung des ISTE habe sich dieser Herausforderung erfolgreich angenommen, die individuelle Digitalisierung der Kundenschnittstelle werde nun durch INSITER möglich gemacht.

The Big Picture – Prognosen für den Wasserstoff

Was passiert, wenn alle Prozesse optimiert, auch die letzte Gesteinskörnung recycelt, Effizienz und Innovation an ihren natürlichen Grenzen angekommen sind? Antworten zu diesen größeren Zusammenhängen brachte Maike Schmidt vom Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) mit. „Die letzten Schritte zur Klimaneutralität der Baustoffbranche werden nicht ohne synthetischen Wasserstoff als Energieträger auskommen“, so die Diplom-Wirtschaftsingenieurin. Sie präsentierte die Studienergebnisse einer groß angelegten Wasserstoffbedarfsermittlung im vergangenen Jahr. Eine solche Abschätzung sei dringend nötig, um den bereits beschlossenen Wasserstoffkernnetzausbau sinnvoll zu planen. Neutralitätsanforderungen und grüne Energie würden zunehmend zum maßgebenden Standortfaktor und stellten Industrie wie Politik vor riesige logistische Herausforderungen, was eine gute Abstimmung nötig mache. Neben gut vernetzten Wasserstoff-Hubs müsse man Vor-Ort-Erzeugung mit mobilen Elektrolyseuren als Lösung in Betracht ziehen.

Am Ende des Baustofftechniktages war mehr denn je klar zu sehen – das Klima rund um die Baustoffbranche ist in Fahrt – zukunftssicher heißt klimasicher bauen, sowohl im Sinne technischer Anpassungen als auch insgesamt emissionsärmerer Produktion. Der Wille ist groß, die Wege vielfältig.