Exkursion im Alb-Donau-Kreis: Renaturierung und Rekultivierung von Steinbrüchen und Kiesgruben
Ulm, 20.5.2025: Einmalige Einblicke in die Renaturierungen und Rekultivierungen von betriebenen Steinbrüchen und Kiesgruben konnten rund 60 Teilnehmer:innen am 20. Mai 2025 bei einer Bus-Exkursion der Steine-Erden-Akademie durch den Alb-Donau-Kreis erleben. Die Teilnehmer:innen konnten sich ein eigenes Bild machen von der Artenvielfalt in Gewinnungsstätten.
Schon während des laufenden Betriebs entstehen in den Rohstoffgewinnungsstätten mit zahlreichen Maßnahmen Lebensräume für viele Tier- und Pflanzenarten, etwa in Arealen, die für Monate oder sogar Jahre ruhen und damit temporäre Habitate schaffen. „Natur auf Zeit“ entsteht so beispielsweise in flachen Gewässern, auf offenen Flächen und Magerwiesen oder an Steilwänden.
Nach Abschluss der Rohstoffgewinnung stellen die Unternehmen den ursprünglichen Zustand wieder her oder schaffen damit neue Lebensräume. Auf solchen Arealen entstehen Biotope für seltene Arten, landwirtschaftliche und forstwirtschaftliche Flächen oder Freizeitflächen für die Bevölkerung.
Thomas Beißwenger, Dipl.-Biologe, Hauptgeschäftsführer Industrieverband Steine und Erden Baden-Württemberg e.V. und Helmut Reichelt, Leiter des Amtes für Umwelt- und Arbeitsschutz beim Landratsamt Alb-Donau-Kreis, leiteten die Exkursion. Unterstützt wurden sie von den Experten Lutz Schmelzle, Biologe, vom Ingenieurbüro Dörr in Leinfelden-Echterdingen und Dr. Ulrich Tränkle, Biologe, vom Planungsbüro AG.L.N. in Blaubeuren.
An insgesamt vier Stationen konnten die Exkursionsteilnehmer aus öffentlicher Verwaltung, Naturschutzverbänden und ISTE-Mitgliedsbetrieben erleben, wie während und nach dem Kiesabbau und der Kalksteingewinnung Lebensräume für solche Tiere und Pflanzen entstehen, die in unserer Kulturlandschaft kaum noch günstige Lebensbedingungen finden.
Nach dem Start in Ulm steuerte der Bus als erste Station die Koch GmbH & Co. KG in Rißtissen an. Geschäftsführer Günter Müller begrüßte die Teilnehmer bei Kaffee und Brezel und erläuterte gemeinsam mit dem Biologen Lutz Schmelzle, auf welcher Fläche das Unternehmen den Nassabbau von Kies betreibt und wie sich auf noch aktiven und bereits stillgelegten Arealen Biodiversität entwickelt.
Dort sind die ersten Baggerseen in der Region entstanden, mittlerweile sind es fünf, die teils zusammenhängen. Da die Kiesschicht hier maximal sieben Meter mächtig ist, entstehen Flachwasserzonen, in denen sich schützenswerte Amphibien niederlassen. Vogelarten wie der Flussregenpfeifer nisten hier in einer Bodenmulde im Kies. Bei einem Spaziergang erlebten die Teilnehmer:innen eine idyllische Seenlandschaft mit Schilf und Flachwassern. Hier findet die Kreuzkröte, die nur noch in solchen Kiesgruben vorkommt, einen geschützten Lebensraum. Auch Grün- und Teichfrösche leben hier.Viele Monate im Jahr ruht hier der Nassabbau, damit die Vögel brüten können.
Die nächste Station der Tour war der Steinbruch in Allmendingen der Firma SCHWENK Zement GmbH & Co. KG. Hier wurden die Teilnehmer von Dr. Markus Schauer, Fachbereichsleiter Rohstoffsicherung und Umweltschutz bei Schwenk und von Ulrich Tränkle empfangen und durch den Steinbuch geführt. Die Themen Renaturierung, Rekultivierung und Natur auf Zeit werden hier an zahlreichen Beispielen anschaulich.
Der Steinbruch hier sei der artenreichste, den er kenne, so Experte Tränkle, der hier zahlreiche Maßnahmen begleitet und in einem regelmäßigen Monitoring festhält: „Fast 400 Pflanzenarten und rund 50 Tierarten kommen hier vor“, so Tränkle. Das sind rund die Hälfte aller Pflanzenarten, die in der Region überhaupt vorkommen können – obwohl die Steinbruchfläche weniger als 1 Prozent der Gesamtfläche dieser Region ausmachen. Damit ist der Steinbruch ein Hotspot der Biodiversität.
Das zeigt sich etwa beim Spaziergang durch ein Mischwäldchen zu einem Magerrasen, der sich auf dem Abraum aus dem Steinbruch entwickelt hat. Hier finden sich seltene Pflanzen wie die Kugelblume. Auch viele Falter fühlen sich hier wohl. An den Flachwassern leben Vogelarten wie der Flussregenpfeifer und Amphibien wie die Gelbbauchunke oder der Teichfrosch. Die Wanderbiotope der Gelbbauchunke werden laufend erfasst. Durch das Monitoring wird das Miteinander von Biotopentwicklung und Steinbruchbetrieb ermöglicht.
Vor den Augen der Exkursionsteilnehmer überquerte eine Gruppe Damwild den Steinbruch. Damwild hilft bei der Erhaltung der rund 100 Hektar großen Magerrasen-Flächen und wurde deshalb bewusst hier angesiedelt. Ein weiteres Schauspiel bot sich wenige Minuten später: Mehrere Greifvögel, Rot- und Schwarzmilane und der Wanderfalke kreisten über dem Steinbruch.
Anschließend ging es weiter zur nächsten Station, dem Steinbruch Vohenbronnen der Firma Heidelberg Materials AG. Bei einer Busfahrt durch den Steinbruch wurden Markus Schmucker, Produktionsleiter des Zementwerks Schelklingen und Ulrich Tränkle die Themen Rekultivierung und Natur auf Zeit erläutert und vorgeführt.
Der Steinbruch Vohenbronnen liegt rund 20 Kilometer westlich von Ulm und versorgt das Zementwerk in Schelklingen mit dem benötigten Rohmaterial. Sieben unterschiedliche Gesteinsqualitäten finden sich hier auf rund 140 Hektar. Umgeben von Wald, Ackerflächen und Weiden ist der Steinbruch ein abwechslungsreiches Element in der Kulturlandschaft und Teil des UNESCO Geoparks Schwäbische Alb. Viele Pflanzen- und Tierarten in den bereits renaturierten Arealen sind in der Umgebung selten geworden. Das sind beispielsweise Vögel wie Neuntöter und Braunkehlchen oder Amphibien wie Kreuzkröte, Laubfrosch und Gelbbauchunke. Die Experten erläuterten die einzelnen Maßnahmen, wie etwa Ansaat von Baumarten zur Aufforstungen nach der Stilllegung und geomorphologischer Anpassung von Abbauwänden.
Zum Abschluss der abwechslungsreichen Tour stand der Steinbruch Blaubeuren-Altental der EDUARD MERKLE GmbH & Co. KG auf dem Programm. Geschäftsführer Hartmut Koch-Czech erläuterte den Interessierten die Zusammenhänge von Kalkgewinnung und Grundwassererhaltung. Der Kalkstein in Blaubeuren ist von sehr hoher Qualität und wird hier seit über 100 Jahren abgebaut. Er wird getrocknet, gemahlen und zu Füllstoff und Körnungen weiterverarbeitet. Durch seinen hohen Reinheitsgehalt kann das Material vielseitig eingesetzt werden, beispielsweise in der Kunststoffindustrie oder bei der Glasherstellung. Auch in der Landwirtschaft und sogar bei der Herstellung von Lebensmitteln werden Kalksteinmehle verwendet. Die Kalksteinvorräte hier reichen noch für Jahrzehnte, müssen allerdings erschlossen werden.
Den Teilnehmern bot sich ein beeindruckender Blick auf die Steinbruchwände und den tief unten liegenden blau-grünen See. Vor dieser Kulisse erklärte Koch-Czech, es sei ein Anliegen des Unternehmens, möglichst wenig neue Fläche in Anspruch zu nehmen und stattdessen in die Tiefe zu graben. Dazu müsse der Grundwasserspiegel gesenkt werden. Nach der Kalkgewinnung wird der Steinbruch mit geeignetem grubeneigenem Material verfüllt und der Grundwasserstand wieder auf altem Niveau eingependelt.