Zurück
20. Mai 2025

180 Azubis gewinnen Einblicke in die MHP-Arena - ISTE geht neue Wege in der Nachwuchsgewinnung

Stuttgart, 20.5.2025: Als ein Zeichen ihrer Wertschätzung für den Berufsnachwuchs wollen die Arbeitgeber den Azubi-Tag verstanden wissen, der am 20. Mai zum dritten Mal stattfand. Nach der Baustelle von Stuttgart 21 vor zwei Jahren und dem Werksbesuch bei Zementhersteller Holcim in Dotternhausen 2024 war dieses Jahr die MHP-Arena des VfB Stuttgart Ort der Begegnung. Ausrichter ist der Industrieverband Steine und Erden Baden-Württemberg e.V. (ISTE), der seine 500 Mitgliedsbetriebe mit rund 15.000 Beschäftigten bei der Mitarbeitergewinnung unterstützt.

„Unsere Branche kann trotz bester Argumente wie guter Bezahlung nicht mehr alle Lehrstellen in 16 Ausbildungsberufen mit qualifizierten Bewerbern besetzen,“ begründet ISTE-Hauptgeschäftsführer Thomas Beißwenger das Engagement. Mit 180 Azubis aus gut 40 Betrieben aus dem kompletten Südwesten, die mit ihren Ausbildern gekommen waren, war das eine Rekordbeteiligung. Neben der Zentralität des Veranstaltungsortes war es sicher auch die Exklusivität der Location, die die künftigen Verfahrensmechaniker, Baugeräteführer oder Betonfertigteilbauer zur Teilnahme motivierte.

In sechs Gruppen wurden die Besucher parallel durch das Stadion geführt, dessen Haupttribüne mit 20.000 Plätzen erst 2024 zur EM komplett erneuert worden war. Das reichte von der Ehrenloge unter dem Hallendach über die Porsche-Lounge mit 200 Plätzen tief im Inneren, von der aus man die Spieler auf dem Weg aufs Spielfeld beobachten kann, bis zu den Spieler-Kabinen, Umkleiden und Presseräumen. 
Zugleich stellte dieser Gebäudeteil den Bezug zur Branche her, zu dem Werner Rothenbacher überleitete. Der gelernte Maurer und Bauingenieur leitet bei der SCHWENK Zement GmbH & Co. KG in Ulm, die bundesweit 160 Transportbeton-Werke betreibt, den Fachbereich Anwendungstechnik. Zusammen mit der Heinrich Feeß GmbH & Co. KG aus Kirchheim/Teck, die auch Mitglied im ISTE ist und mit neun Azubis teilnahm, und der Ed. Züblin AG als Stuttgarter Bauunternehmung war SCHWENK als Lieferant für den Recycling-Beton am Bau der neuen Haupttribüne beteiligt.

Der 63-jährige Referent, dessen Arbeitgeber hier im laufenden Spielbetrieb binnen 16 Monaten 14.000 Kubikmeter Beton geliefert hatte: „Emittiert üblicherweise ein Kubikmeter Beton 250 Kilo CO2, lag dieser Wert bei diesem Projekt bei 137 Kilo.“ Möglich wurde dies, weil Feeß die Tribüne sortenrein demontierte und das mineralische Rezyklat im sechs Kilometer entfernten Neckarhafen so aufbereitete, dass es SCHWENK 500 Meter weiter in seinem Betonwerk als Zuschlagstoff wiederverwenden und als Beton auf die Baustelle zurückfahren konnte.  
Mehr noch: Der als Bindemittel benötigte Zement aus Klinker wurde zur Hälfte durch Hüttensand, einem Abfallprodukt aus der Stahlerzeugung, ersetzt, so dass auch hier fossile Emissionen eingespart wurden.
Rothenbacher: „Insgesamt haben wir so 1200 Tonnen CO2 eingespart ohne Komfortverlust bei der Verarbeitung, optische Beeinträchtigungen oder Qualitätseinbußen in der Haltbarkeit.“ Zuvor hätten Gutachter die Rezeptur daraufhin geprüft, dass sie dieselbe Resistenz gegen Sulfat im Grundwasser aufweist wie herkömmlicher Beton. 1200 Tonnen CO2 entsprechen bspw. 9,3 Millionen Kilometern, die ein Golf VIII in seiner Benzin-Version emittiert.

Noch unmittelbarer an den Belangen der Azubis war das Interview, das Baugeräteführer Erik Wolfer von der Heinrich Feeß GmbH & Co. KG im VfB-Restaurant im Stadion gab. Nach einem Schul-Praktikum 2020 habe er sich für die Ausbildung entschieden, die er 2022 begann und diesen Januar beendete. Highlight seiner Lehre sei gewesen, im Herbst 2024 eigenverantwortlich seine erste Baugrube zu berechnen und mit dem Bagger auszuheben.
„Klar fragst Du Dich bei minus 15 Grad zu Arbeitsbeginn und im Dunkeln, was Du hier überhaupt machst,“ gab Wolfer auch Einblick in die Schattenseiten seines Berufes. Aber wenn dann ein Opa mit seinem begeisterten Enkel zwei Stunden zusehe, wie er arbeitet, sei das höchste Motivation. Wie auch die Veränderungen, die man täglich sehen könne, die man selbst vollbracht hat. Sein Tipp an die Ausbilder: Die Azubis ihre Fehler machen lassen statt ständig zu korrigieren. So lerne man am schnellsten.

Positiv findet der Baggerfahrer auch seine Aufstiegsperspektiven: Zum Vorabeiter über den Polier eines Tages zum Bauleiter. Toll sei auch, den technischen Fortschritt mitzuerleben. Das reiche von den verbesserten Maschinen über GPS-Steuerung bis hin zu Drohnen, die vor Arbeitsbeginn die erforderlichen Daten erheben. Dazu passte die Botschaft des Veranstalters: „Unsere Branche braucht diese jungen Leute und sie sind uns wichtig.“

Auffällig war, dass fast alle Azubis in schicken Poloshirts und Hoodies kamen, die den Schriftzug oder das Logo ihrer Arbeitgeber tragen. Und unter den jungen Frauen waren nicht nur kaufmännische Azubis, sondern auch eine angehende Berufskraftfahrerin. Wie Wolfer kamen etliche Lernende über Schüler-Praktika zu ihren Berufen. Oft waren und sind bereits der eigene Vater, ein Nachbar oder der Fußballtrainer beim heutigen Ausbildungsbetrieb beschäftigt. Gelegentlich kommt der entscheidende Impuls auch via Social Media, vom Klassenlehrer oder dem Berufsberater beim Arbeitsamt.

Martina Grühbaum, die beim ISTE in der Arbeitsrechtsabteilung arbeitet und die Azubi-Initiative „Bock auf Steine“ mit ins Leben gerufen hat, sagt: „Wir wollen vermitteln, dass es schön ist, in unserer Branche zu arbeiten; dass wir gebraucht werden, um unsere Infrastruktur mit Gebäuden, Straßen und Gleisen aufrecht zu erhalten und dass wir nachhaltig sind.“ Beispiele sind renaturierte Steinbrüche oder die Substitution von Steinkohle im Zementwerk durch die thermische Nutzung von regionalem Altholz, Altreifen, Dachpappe oder Trockenklärschlamm. www.bock-auf-steine.de