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4. Februar 2025

Baustoff-Technik-Tag: MdB Thorsten Frei wettert gegen Risikoscheu in Deutschland

CDU-Geschäftsführer beim Industrieverband Steine und Erden – Fitnessprogramm für Wirtschaftsstandort

Die „extreme Risikoscheu unserer Gesellschaft“, gepaart mit einer „ausgeprägten Fixierung auf Einzelfallgerechtigkeit“ habe Deutschland bis zum Stillstand heruntergebremst, diagnostiziert Thorsten Frei. Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion war am Dienstag Hauptredner beim Baustoff-Techniktag des Industrieverbands Steine und Erden Baden-Württemberg e.V. (ISTE).

Der frühere Oberbürgermeister von Donaueschingen fühlte der Leistungsgesellschaft deutlich den Puls, weshalb das Land mittlerweile seit zwei Jahren mit einem negativen Wachstum in der Rezession stecke und in EU, OECD oder G7 überall das Schlusslicht bilde: Sei die Republik 1990 noch mit 5000 Bauvorschriften klargekommen, habe sich deren Zahl mittlerweile auf 20.000 vervierfacht. Dabei habe es schon damals Vorgaben gegen Flächenversiegelung und für Landschaftsschutz gegeben.
Gepaart sei diese „Regelungswut“ mit Unternehmenssteuern von im Schnitt 30 Prozent, die damit im internationalen Vergleich fast ein Drittel höher lägen. Hinzu komme eine Jahresarbeitszeit von im Schnitt nur noch 1345 Stunden – bspw. 200 Stunden weniger als in der benachbarten Schweiz – „weil nur noch Vier-Tage-Woche, Life-Balance und Anspruch auf Homeoffice diskutiert“ würden.

Frei, der seit 2013 dem Bundestag angehört, stellte in Aussicht, dass eine CDU-geführte Bundesregierung Überstunden nicht mehr besteuern würde, um Leistungsanreize zu schaffen. Um von den bundesdeutschen Energiekosten herunterzukommen, die bspw. zehnmal so teuer seien wie in Texas, werde seine Partei die Stromsteuer und die Netzentgelte abschaffen, was zusammen fünf Cent je Kilowattstunde (kWh) ausmache. Finanziert werde das über die CO2-Abgabe.
Auch werde die CDU das Verbandsklagerecht auf den Prüfstand stellen, um Genehmigungsverfahren zu erleichtern. Frei: „Es kann nicht sein, dass jeder Verein gegen alles klagt und damit Maßnahmen über Jahre verhindert und um ein Vielfaches verteuert.“

Mit pragmatischem Fortschritt gegen die Deindustrialisierung

Die Deindustrialisierung Deutschlands laufe seit Jahren, weil täglich Investitionsentscheidungen gegen die noch drittgrößte Volkswirtschaft der Welt fielen. In der Vergangenheit habe man das nicht bemerkt, weil die Arbeitslosigkeit Demographie-bedingt nicht stieg und die öffentliche Verwaltung immer mehr Jobs geschaffen habe. Doch 300.000 Industriearbeitsplätze seien bereits ins Ausland verlagert und nun werde die Arbeitslosigkeit spürbar.

Die Abscheidung und Speicherung von CO₂ aus der Zementgewinnung unter der Erde (CCS = Carbon Capture and Storage) sei ein gutes Beispiel dafür, wie die rot-grünen Koalitionspartner den technologischen Wandel in Deutschland verschlafen hätten. Das geplante Kohlendioxidspeicherungs- und Transportgesetzes (KSpTG), das in diesem Frühjahr im Bundestag hätte verabschiedet werden sollen, um die Zementproduktion über 2040 hinaus in Deutschland klimaneutral zu sichern, sei an Abgeordneten der SPD und der Grünen gescheitert, weil diese ideologisch getrieben primär die CO2-Vermeidung forcierten statt der Bauindustrie am Standort die Zukunft zu sichern.

ISTE-Präsident Oliver Mohr dankte dem Politiker für sein Bekenntnis zum Industriestandort Deutschland. „Unser tägliches Geschäft ist die Kreislaufwirtschaft,“ so der Unternehmer, für das seine Branche unbürokratische Regelwerke und bezahlbare Energiepreise brauche. Im Gegenzug lieferten die 500 Mitgliedsbetriebe mit ihren 15.000 Beschäftigten und 800 Werken landesweit eine leistungsfähige Infrastruktur und bezahlbaren Wohnraum.

Investitionen in die Straßensanierung

Im Fachteil der Veranstaltung referierten Vera Schmidt vom Landesverkehrsministerium und Björn Beutinger von der Autobahn GmbH, Niederlassung Südwest, über die Investitionen in den Straßenbau und CO2-reduziertes Bauen. Im Schnitt würden heute gegenüber 1990 bereits 40 Prozent weniger CO2 emittiert, bei einem Referenzprojekt in Rauenberg waren es sogar 65 Prozent. Das reicht von der Baustelleneinrichtung, um Transportwege zu verkürzen, über das Aufbrechen und Fräsen bestehenden Straßenbelags und dessen Aufbereitung bis hin zum Auftrag neuer Fahrbahnbeläge bei geringeren Temperaturen.

In Summe fließen im laufenden Jahr 660 Millionen Euro von Bund- und Land in den Straßenbau im Südwesten, davon das Gros in Erhalt und Sanierung. Damit bleiben die Investitionen stabil. Beutinger machte deutlich, dass in seiner Zuständigkeit 1400 Brücken stehen, von denen 342 stark sanierungsbedürftig seien und durch Neubauten ersetzt würden. Einzig die Kochertalbrücke werde saniert.

Allein 2024 habe seine Niederlassung 165 Vergaben für Bauleistungen ausgeschrieben und sich vermehrt mit digitalen Ausschreibungen befasst. Vier Vorhaben, darunter der neue Albaufstieg, seien komplett als BIM-Projekte angelegt. Die neue Trasse auf die Schwäbische Alb werde um 3,8 Kilometer kürzer (bisher 11,4 km) bei einer maximalen Steigung von 3,5 Prozent (bisher 6,3%). Möglich machten dies je zwei Tunnel und Brücken. Beutinger: „Damit sparen wir im Betrieb CO2 ein, verbessern die Verkehrsinfrastruktur und den Landschaftsschutz.“ In Summe müssen für das Vorhaben 2,76 Millionen Kubikmeter Gestein und Erde bewegt werden, die direkt bei den Brücken teils bis zu 35 Meter hoch verbaut werden.

Mit verbesserter Technik zur Kreislaufwirtschaft

Über energieeffizienten und kreislaufgerechten Straßenbau referierte Oliver Mielich. Der promovierte Bauingenieur leitet an der Materialprüfungsanstalt der Universität Stuttgart das Referat Verkehrsinfrastruktur. Seine Quintessenz: Energiereicher Straßenaufbruch, der leistungsfähige Bagger erfordere, erzeuge gute Körnungen und hohe Recyclingquoten. Energiearme Verfahren lieferten dagegen schlechte Ergebnisse und erhöhten die Deponierungsquote. Auch erzeugten Backenbrecher in den Gesteinskörnern mehr Risse als Prallbrecher, was zu einer höheren Wasseraufnahme des Granulats führe. Dabei nähmen kleine Körner proportional mehr Wasser auf als große.

Ein Großprojekt: harmonisierte EU-Normen überarbeiten

Den Blick auf die EU-Ebene öffnete Stefan Janssen vom Bundesverband Mineralische Rohstoffe e.V., der einen Überblick über die überarbeitete europäische Bauproduktenverordnung (EU-BauPVO) gab, die im Januar 2025 in Kraft trat. Im Fokus stehen dabei der European Green Deal, die Digitalisierung und die Anpassung veralteter technischer Standards.

Mehr als 450 harmonisierte Europäische Normen (hEN) müssen im Rahmen des „CPR Acquis-Prozesses“ überarbeitet werden – eine gewaltige Aufgabe für alle Beteiligten. Die EU-Kommission hat dafür einen klaren Zeitplan vorgegeben: Bis Ende 2029 sollen die Arbeiten abgeschlossen sein.

Sobald die neuen Normen in Kraft treten, müssen Hersteller innerhalb eines Jahres neben den technischen Angaben verpflichtend auch Nachhaltigkeitsinformationen zu ihren Produkten bereitstellen. Digitale Lösungen sollen diesen Prozess unterstützen – allerdings müssen diese noch entwickelt werden. Janssen appellierte an die Unternehmen: „Behalten Sie die Entwicklungen im Blick und beteiligen Sie sich aktiv an den Datenerhebungen Ihres Verbandes.“