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23. August 2019

„Rohstoffabbau geschieht für die Bürger – nicht gegen sie!“

Für eine natur- und klimafreundliche und gleichzeitig gesellschaftlich akzeptierte Gewinnung heimischer Rohstoffe hat sich der Hauptgeschäftsführer des Industrieverbandes Steine und Erden Baden-Württemberg e.V. (ISTE), Thomas Beißwenger, in einem Interview mit der Schwäbischen Zeitung ausgesprochen. Dazu könne die Landesregierung beitragen mit klaren Aussagen in der im Koalitionsvertrag vereinbarten, jedoch bis jetzt noch nicht vorgelegten Rohstoffstrategie. Es gehe darum, das Dilemma zwischen der durch Wohnungs- und Infrastrukturbau steigenden Nachfrage nach Steinen, Kies und Sand und konkurrierenden Flächennutzungen klug und kompromissbereit aufzulösen: „Rohstoffabbau geschieht für die Bürger – nicht gegen sie“, so Beißwenger.

Er betonte, dass die Rohstoffindustrie den Bedarf der Gesellschaft decke, und nicht etwa wecke. Es gebe in Baden-Württemberg 220 Kies- und Sandabbaustätten, etwa 100 davon am Oberrhein und ca. 100 in Oberschwaben. Bei Erweiterungen mache man sich nicht nur Freunde. Konfliktfreie Standorte seien ihm nicht bekannt. Beißwenger: „Das ist Teil des Systems, das müssen wir aushalten. Aber Rohstoffe bei uns im Land zu gewinnen ist alternativlos.“

In Baden-Württemberg verzeichne man einen Bevölkerungszuwachs, was den Ausbau der nötigen Infrastruktur zur Folge habe. Deswegen gebe es hier nicht die Rückgänge anderer Bundesländer bei der Nachfrage nach Sand und Kies. Der Abbau liege in Baden-Württemberg im Durchschnitt bei knapp 40 Millionen Tonnen pro Jahr (oder 4-5 Tonnen pro Einwohner und Jahr). Zuwächse sehe man im Festgesteinsbereich.

Zum Stichwort „Sandknappheit“ stellte Beißwenger fest, dass es keine geologische, sondern eine administrative Verknappung gebe. Das heiße: Die Reserven, die im Land in den Regionalplänen genehmigt würden, nähmen Jahr für Jahr ab: „Wir haben derzeit einen Bauboom, wie wir ihn in den vergangenen 25 Jahren zuvor nicht erlebt haben, eine hohe Nachfrage und gleichzeitig ein massives Beschaffungsproblem.“ Viele Betriebe liefen gerade auf den Endpunkt zu, deshalb sei die Branche und insbesondere die Region Bodensee-Oberschwaben und der Bereich Karlsruhe-Mannheim dringend auf neue Flächen angewiesen. Die Großbaumaßnahmen wie die Neubaustrecke Ulm-Wendlingen verlangten den Unternehmen richtige Klimmzüge ab. Im Durchschnitt habe man einen Bedarf von 100 Millionen Tonnen, davon entfielen 40 Millionen auf Kies und Sand, 40 Millionen Tonnen auf Naturstein. Beißwenger forderte gegenüber der Schwäbischen Zeitung deshalb eine Beschleunigung der Rohstoffsicherungs- und Genehmigungsverfahren.

Einer von mancher Seite vorgeschlagenen Reduzierung des Abbaumengen erteilte Beißwenger eine Absage. Man liefere nur das, was der Markt verlange: „Wir sind eine reine Bedarfsdeckungsindustrie. Das ist den wenigsten Kritikern bewusst. Die machen es sich einfach. Wer nämlich an dieser Schraube dreht, löst mehr Verkehr aus. Dann muss der Rohstoff von woanders herkommen und er muss weitere Strecken zurücklegen. Wäre das klimafreundlich?“

Der ISTE-Hauptgeschäftsführer kritisierte in Bezug auf Kiesexporte nach Österreich und in die Schweiz die dort politisch Verantwortlichen. Diese müssten endlich die Voraussetzungen für ihre Eigenversorgung schaffen. Von deutscher Seite habe die Industrie die baden-württembergische Landesregierung aufgefordert, mit diesem Ziel das Gespräch mit den Nachbarländern zu suchen.

Eine von CDU-Politikern ins Spiel gebrachte „Kiesabgabe“ auf deutscher Seite nannte Beißwenger „populistisch“. Das wäre eine Art Rohstoffsteuer: „Eine Rohstoffsteuer kann aber nicht ein Landkreis oder ein Land einführen, sondern sie wäre eine Sache des Bundes. Was würde es verbessern? Die Rohstoffe würden teurer werden – für jeden Bürger, auch hier im Inland. Zudem würde genau diese Verzerrung des Preises das Problem auslösen, dass Unternehmer aus anderen Regionen günstiger liefern können, und das führt zwangsläufig zu mehr Verkehr. Außerdem: Wenn man eine solche Abgabe einführte, wäre das diametral gegen einen sozialen Wohnungsbau, weil sie Bauen noch teurer machen würde. Aus unserer Sicht ist dieser Antrag nicht durchdacht." Beißwenger mahnte in diesem Zusammenhang zur Verhältnismäßigkeit. Es seien lediglich fünf Prozent der oberschwäbischen Kiesproduktion, die exportiert würden.

Stolz seien der ISTE und seine Mitgliedsunternehmen auf die mit über 90 Prozent sehr hohe Quote an recycelten Baustoffen. Seit 1990 werde immer mehr recycelt. Neun Zehntel von 11,4 Millionen Tonnen Bauschutt und Straßenaufbruch würden pro Jahr wiederverwertet. Beißwenger: „Ein Kieselstein hat noch nie die Erde verlassen“. Er lande beim Bau in einem Baustoffspeicher, egal ob Straße oder Beton. Wenn das Bauwerk nicht mehr gebraucht werde, gelange der Stein wieder zurück in den Kreislauf. Allerdings könne dies wegen der „Lebensdauer“ eines Gebäudes lange dauern. Aber auch nach 100 Jahren sei das Material nicht verloren. Zurzeit baue man mehr als man abreiße. Deshalb substituiere diese Recyclingquote beim derzeitigen Bedarf lediglich zehn Prozent.

Von der grün-schwarzen Landesregierung erwartet Beißwenger die Entwicklung einer Rohstoffstrategie: „Wir wünschen uns, dass sich die Regierung klar zur Sicherung heimischer Rohstoffe und zu deren Gewinnung bekennt, aber dass die Strategie auch den Klimaschutz berücksichtigt. Das bedeutet dezentralen und verbrauchernahen Abbau, was automatisch zu weniger Emissionen führt. Auch Biotopverbunde sollten berücksichtigt werden, weil Kiesgruben da viel zu bieten haben. Nur mit solchen klaren Aussagen können Rohstoffunternehmen und Bürger problemlos miteinander leben und umgehen. Wie gesagt: Wir bauen Kies und Sand nicht gegen die Bürger, sondern für die Bürger ab.“

 

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