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9. Februar 2021

10. Baustoff-Technik-Tag des ISTE: Jubiläumsveranstaltung im Online-Format

10. Baustoff-Technik-Tag des ISTE: Jubiläumsveranstaltung im Online-Format

Man hätte ein kleines Jubiläum feiern können, doch die Sektgläser blieben coronabedingt im Schrank. Zum 10. Mal schon hatte der Industrieverband Steine und Erden Baden-Württemberg e.V. (ISTE) zum jährlichen Baustoff-Technik-Tag geladen, um Vertreterinnen und Vertretern aus Mitgliedsunternehmen mit solchen aus Wissenschaft und Verwaltung auf den neuesten Stand zu bringen. Trotz des Online-Formates zeigten sich alle Beteiligten guter Dinge und schafften es auch in diesem Jahr, einen ausgesprochen reichhaltigen und interessanten Baustoff-Technik-Tag gemeinsam zu gestalten.

Den Auftakt gab ISTE-Vizepräsident Oliver Mohr mit einem Rückblick auf 10 Jahre Baustoff-Technik-Tage. Damals habe die Reihe ihren Ursprung in den „Baustofftagen“ gefunden, bei welchen gemeinsam wichtige Themen auch aus dem Bereich Recycling erörtert wurden. Auch nach so vielen Jahren und trotz der aktuellen Pandemie habe sich der Baustoff-Technik-Tag als Plattform für den Meinungsaustausch mit Experten aus Wissenschaft, Verwaltung und Verbände erfolgreich etabliert, so Mohr.

 

Die aktuellen Entwicklungen im Straßenbau in Baden-Württemberg, vor allem seitens der neu gegründeten Autobahn GmbH, standen im Mittelpunkt des ersten Themenblocks.

Im gemeinsamen Vortrag von Dipl.-Ing. Klaus Ullrich, seit 01.01.2021 Geschäftsbereichsleiter Bau und Erhaltung in der Niederlassung Südwest der Autobahn GmbH, sowie von Dipl.-Geologe Björn Beutinger, Abteilungsleiter Straßenbau- und Geotechnik sowie Erd- und Grundbau in der Niederlassung Südwest, wurde die neue Autobahn GmbH im Südwesten vorgestellt. Neben der Struktur mit Zuständigkeiten in der Gesellschaft wurden in fachlicher Hinsicht der Projektstand von Straßenbauprojekten in Asphalt- und Betonbauweisen sowie Schichten ohne Bindemittel vorgestellt. Für Baustofflieferanten sind insbesondere länderspezifische Festlegungen von Produktmerkmalen abweichend von Europäischen Normen in ZTV / ETV von Bedeutung.

Daher folgte thematisch ein Vortrag von Dr. Steffen Klumbach, der als Referent seit 2018 für die Bereiche Straßenbau- und Geotechnik, Anerkennung von Prüfstellen nach RAPStra auch für Sonderbauweisen wie Maximalrecycling in der Mobilitätszentrale Baden-Württemberg in der Abt. 9 des Regierungspräsidiums Tübingen zuständig ist. Er gab „ETV-StB-BW trifft Evaluation von Pilotstrecken mit Maximalrecycling“ einen Überblick über die Bearbeitung der ETV-StB-BW seit 2011. Besonders im letzten Jahr (2020) wurde die ETV-StB-BW drei Mal überarbeitet. Ursache hierfür waren zum einen die Zulassung der Alpinen Moräne für den offenporigen Asphalt der Sorte PA 8 sowie die Erkenntnisse aus der Evaluation der Maximalrecyclingstrecken in BaWü. Zu letzterem erläuterte Klumbach detailliert das Bitumen-Typisierungs-Schnell-Verfahren (BTSV). Dies dürfte vor allem die asphaltproduzierenden Unternehmen interessiert haben, da die Ergebnisse der Evaluation besonders im Bereich der Erstellung von Asphalterstprüfungen einflossen. Hier wurden durch Klumbach vertragsrelevante Anforderungen an das zugegebene Frischbindemittel sowie Orientierungswerte für die fachliche Beurteilung am rückgewonnenen Bindemittel vorgestellt. Die Evaluation der Maximalrecyclingstrecken wurde grundsätzlich positiv beurteilt, da alle Pilotstrecken in gutem Zustand vorlagen.

Mit einem sehr praxisnahen Vortrag zu den „Anforderungen an Fahrbahnbeläge in Tunneln“ schloss Andreas Klein den ersten Themenblock ab. Der Leiter des Baureferates West (47.4) des Regierungspräsidiums Stuttgart blickt auf eine lange Berufslaufbahn als Bauingenieur zurück. In seinem Vortrag flossen neben seinem umfangreichen Erfahrungsschatz an unterschiedlichen Möglichkeiten, vor allem helle Fahrbahndecken aus Beton in Tunneln zu realisieren, großartige Baustellenbilder zum Einbau ein. Bei der Vielzahl an Bauvorhaben wurden den Teilnehmerinnen und Teilnehmern Details zum Fugenplan, zu neuen Varianten an Schachtabdeckungen innerhalb von Betondecken bis hin zum Gleitschalungsfertiger und der nachgeschalteten Texturausbildung nahegebracht.

Dipl.-Min. Markus Schumacher, Geschäftsführer und Leiter der Überwachungs- und Zertifizierungsstelle des BÜV NW e.V. sowie Geschäftsführer des Bundesüberwachungsverbandes BauProdukte (BÜV BauPro) e.V., legte in seinem Vortrag mit dem Titel „Konformitätsnachweise für Gesteinsbaustoffe im Spannungsfeld zwischen Rechtslage, Anspruch und Praktikabilität“ die juristischen Ansprüche vom Besteller/Auftraggeber über den Gesteinslieferanten bis hin zum Verwender rechtssicher dar. Rechtsgrundlage beim Inverkehrbringen sind CE-Leistungserklärung sowie die neue Erklärung zur Leistungsbeständigkeit nach TL SoB. Zusätzlich werden aber auch Einzelprüfwerte aus Prüfzeugnissen externer, nach RAP-Stra anerkannter oder akkreditierter Prüfstellen bei den Herstellern als Vertragsgrundlage angefragt. Bei der Qualitätsbeurteilung von Massenströmen spielt jedoch die fortlaufende werkseigene Produktionskontrolle und damit die zuverlässige Deklaration der Kategorien und Klassen eine zentrale Rolle.

Die neuen Ausgaben 2020 zu den Technischen Lieferbedingungen und den Zusätzlichen Vertragsbedingungen von Schichten ohne Bindemittel stellte Micheal Schmitz vor. Er arbeitet als Mitglied im FGSV Gremium 6.3 und 6.3.2 aktiv bei der Entstehung dieser Regelwerke mit. Als Bauingenieur stellte er anhand eines 3D Modells einer Straße das Bauwerk zu Beginn kurz vor und nahm so auch Fachfremde anschaulich mit, die wichtigsten Schichten des Oberbaus zu verstehen. Dann ging er auf die Neuerungen ein und verwies besonders am Ende auf die vertrags- und vor allem ausschreibungsrelevanten Inhalte der Regelwerke. Mit seinen Hinweisen zur Anwendung schlug er einen Bogen von der öffentlichen Hand als Auftraggeber über die fachlich Betroffenen der Planungsbüros zu den Unternehmen auf Auftragnehmerseite und stellte so für alle Beteiligten die praktische Umsetzung für jeden Bereich vor.

Im letzten Block standen die Themen Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Netzwerke im Vordergrund.

Dr. Eva Schmincke, Sachverständige im IBU und langjährige Leiterin des CEN TC 350 „Nachhaltigkeit“, verfolgte in ihrem Vortrag mit dem Titel

“Was bringt die neue Norm für Umweltproduktdeklarationen (EPD) EN 15804 + A2” den Pfad der Nachhaltigkeit von einem Gebäude bis hin in die Lagerstätte eines Gesteinsherstellers zurück. Dabei spielen Gebäude-Planung und -Entwurf, Technische Gebäudeausrüstung, Heizung-Lüftung-Klimatechnik und vieles mehr wichtige Rollen. Auch die verwendeten Baustoffe nach BPVO gehen in die Bilanzierung mit bis ca. 10 % über die gesamte Nutzungsdauer in die Nachhaltigkeitsbetrachtung des Gebäudes ein.

Über das vor einem Jahr gegründete Netzwerk SolidUnit informierte dessen Netzwerkmanager, Alexander Rother. Der Mitarbeiter der Bauwirtschaft Baden-Württemberg beschrieb SolidUnit als Antwort der Baubranche auf nicht zuletzt klimapolitische Herausforderungen der Zukunft. Es gehe ihm um innovativen Massivbau, nicht um eine Gegnerschaft zum Holzbau. Technologie- und Materialoffenheit und eine unvoreingenommene Betrachtung der einzelnen Baustoffe unter dem Blickwinkel ihrer Nachhaltigkeit seien Grundlage dieses Zusammenschlusses von Unternehmen, Verbänden und wissenschaftlichen Einrichtungen. Rother stellte eine Reihe von innovativen Bauprojekten vor, welche mit unterschiedlichen Baustoffen den Massivbau der Zukunft vorwegnehmen. Der ISTE gehört zu den Gründungsmitgliedern von SolidUnit.

Ein innovatives und außergewöhnliches Projekt der Öffentlichkeitsarbeit präsentierte Thorsten Volkmer von der Kies und Beton AG Baden-Baden. Der Beirat der Initiative „KIWI - Kieswirtschaft im Dialog am Oberrhein“ brachte im wahrsten Sinne des Wortes das Kieswerk ins Wohnzimmer. Seit wenigen Tagen nämlich ist das IKE-Kieswerk in Iffezheim für jedermann zugänglich, und zwar digital. In über einjähriger Arbeit entstanden 360-Grad-Bilder sowie Texte, welche die unterschiedlichsten Themen im Zusammenhang mit Kiesgewinnung erklären. Wie wird der Bodenschatz genau gewonnen und verarbeitet? Wozu braucht an ihn, welche Produkte gehen auf ihn zurück? Was bedeuten Rekultivierung und Renaturierung praktisch? Welche Pflanzen und Tiere finden in Abbaustätten neue Lebensräume? Antworten für Fragende jeden Alters. Wer noch nie ein Kieswerk besucht hat – hier können er oder sie es tun, ganz bequem vom Sofa aus: https://www.kiwi-oberrhein.de/360-kieswerkrundgang/.