Zurück
26. November 2019

22. Steine- und Erdenseminar Genehmigungsverfahren für die Betriebe der Steine- und Erdenindustrie

Über den Stand der Dinge in Baden-Württemberg und auf Bundesebene bezüglich Genehmigungsverfahren für die Betriebe der Steine- und Erdenindustrie informierten sich im Haus der Baustoffindustrie in Ostfildern über 100 Teilnehmer. Dabei gelang es dem Industrieverband Steine und Erden e.V. (ISTE) zusammen mit der Rechtsanwaltskanzlei Dolde Mayen und Partner und der Arbeitsgemeinschaft Bayerischer Bergbau- und Mineralgewinnungsbetriebe e.V. (ABBM) wieder ein breit aufgestelltes Programm mit zahlreichen Themen, die von unterschiedlichen Experten vorgetragen wurden, auf die Beine zu stellen. 

„Es gab bei den Genehmigungsverfahren in den vergangenen Jahren keine Entlastung, vielmehr weitere Belastung durch zusätzlichen Untersuchungs- und Verwaltungsaufwand“, machte Dr. Christoph Heim, der stellvertretende Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Bayerischer Bergbau- und Mineralgewinnungsbetriebe (ABBM), deutlich. Nur vereinzelt werden im Kleinen Fortschritte erzielt, eine große Lösung suche man bisher vergebens. „Es fehlt an Pragmatismus“, monierte er. Stattdessen wurden Genehmigungsverfahren in den vergangenen Jahren aufwendiger, teurer und dadurch automatisch auch länger. Eine Lösung des Problems sieht Heim nur, wenn sich die daran beteiligten Akteure zusammentun. „Wir sitzen alle in einem Boot“, sagte er und bat die zuständigen Stellen um Vertrauen. „Nur wer Vertrauen schenkt, erhält auch Vertrauen zurück“, machte Dr. Christoph Heim deutlich.

Nach wie vor sei man weit von einer „win-win-Situation“ entfernt, die die Rohstoffstrategie nämlich auch sein könnte, zeigte Oliver Mohr, Vorsitzender des Umwelt- und Rohstoffausschusses (URA) des Industrieverbandes Steine und Erden Baden-Württemberg e.V. (ISTE), auf. „Offensichtlich gärt sie noch im Umweltministerium – dabei bräuchten Unternehmen, Genehmigungsbehörden und Bürgerschaft dringend eine aktualisierte strategische Leitlinie für die Rohstoffsicherung und Rohstoffgewinnung. „Wir bitten oder vielmehr wir fordern das Umweltministerium dazu auf, diesbezüglich Nägel mit Köpfen zu machen“, so Oliver Mohr. Umso erfreulicher ist, dass das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie in Berlin in sehr viel kürzerer Zeit eine Rohstoffstrategie erarbeitet hat.

Dr. Hartmut Kühne vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie führte zu den heimischen Rohstoffen innerhalb der neuen Rohstoffstrategie aus, die dieses Jahr möglichst noch ins Bundeskabinett gegeben werden soll, damit sie zeitnah veröffentlicht werden kann. Nachhaltigkeit und Sorgfaltspflichten in der Lieferkette waren einige der neuen Herausforderungen, mit denen sich die Fortschreibung der Rohstoffstrategie von 2010 ebenso beschäftigen muss wie mit rechtlichen Fragen, aber auch den Folgewirkungen rund um den Kohleausstieg z.B. hinsichtlich der Substitution der entfallenden Mengen an REA-Gips.

Dass Rohstoffe nicht überall verfügbar sind und deshalb im Zweifel auch ungewünschte Standorte für die Gesamtversorgung von Nöten werden – diese Einsicht wünscht sich Oliver Mohr und erhofft sich dazu auch Schützenhilfe von den neuen Rohstoffstrategien. „Unsere Branche versucht, den täglichen Bedarf an Rohstoffen zu decken“, sagte Mohr.

Genau dafür soll auch der Film „Ein Kilogramm Steine pro Stunde“, der nach der Mittagspause gezeigt wurde, werben. Der achtminütige kurzweilige Film mit einer überraschenden Rahmenhandlung wurde kürzlich vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie mit dem Deutschen Wirtschaftsfilmpreis in der Kategorie „Wirtschaft gut präsentiert“ von 209 Beiträgen auf den ersten Platz gewählt. 

Forstrechtlicher Ausgleich und Neuorganisation der Forstverwaltung

Einen Blick auf den forstrechtlichen Ausgleich für Rohstoffgewinnungsvorhaben warf Matthias Schappert, der Abteilungsdirektor des Referats Forstpolitik und Forstliche Förderung am Regierungspräsidium Tübingen. Die Suche nach Ersatzaufforstungsflächen aber auch fachliche Aussagen zum Klimawandel und dessen Folgen sorgten für manche Sorgenfalten bei den Teilnehmern.

Nach Schapperts Aussagen kann man sich ab dem dritten Drittel des Jahrhunderts in weiten Teilen Baden-Württembergs auf ein Mittelmeerklima mit Winterfrost einstellen. „Im Süd- und Nordschwarzwald kann man dann Wein anbauen“, ist Schappert überzeugt, der aber keine Schwarzmalerei betreiben möchte, stattdessen unterstreicht: „Wo was aufhört, kann auch was Neues anfangen.“ Das gilt auch für die Forstverwaltung: Das Land Baden-Württemberg strukturiert sie nämlich neu und hat hierzu am 15. Mai 2019 das Forstreformgesetz beschlossen. Dieses sieht neben der Errichtung einer Anstalt des öffentlichen Rechts für den Staatswald und der Änderung des Landeswaldgesetzes eine Vielzahl an Änderungen in anderen Fachgesetzen vor, die reformbedingt adaptiert werden müssen.

PIK und landwirtschaftlicher Grundstücksverkehr

Konflikte über die Nutzung der Flächen bleiben nicht aus. Was genau dahintersteckt –  das stellte Dr. Martin Maier von der Flächenagentur Baden-Württemberg GmbH vor. In seinem Vortrag gewährte er Einblicke in den aktuellen Stand des Leitfadens zur Produktionsintegrierten Kompensation (PIK), also eine Kompensationsform, die Flächennutzungskonflikte entschärfen soll. Die Vorteile von PIK, wie unter anderem, dass der Landwirtschaft keine Flächen entzogen werden, nannte er ebenso wie mögliche Schwierigkeiten, auf die der Bewirtschafter stoßen kann.

Flächenverfügkbarkeit führt also zunehmend zu Konflikten, zu Verfahrensverzögerungen sowie zu Kostensteigerungen. Aus Sicht der Steine- und Erdenindustrie ist es fraglich, ob die rechtlichen Rahmenbedingungen den Stellenwert der Rohstoffversorgung im Sinne einer Deckung gesellschaftlicher Bedürfnisse gerecht werden. Hier spielen auch die agrarstrukturellen Belange eine Rolle, die im Vortrag von Bernhard Kübler, dem Geschäftsführer der Landsiedlung Baden-Württemberg GmbH, näher beleuchtet wurden. „Das Agrarstrukturverbesserungsgesetz ist ein Schutz- und Abwehrrecht aufgrund der Flächenknappheit“, machte Kübler zu Beginn deutlich. Er zeigte die Steuerungsmechanismen dieses Gesetzes für die Akteure der Steine- und Erdenindustrie auf und kam im weiteren Verlauf auf die Genehmigungserfordernisse beim Erwerb landwirtschaftlich genutzter Flächen zu sprechen.   

Aus sechs „Schnellheftern“ wurden 81 „langsame Aktenordner“

Fast schon als Tragikkomödie konnte man den Erfahrungsbericht von Bernd Schönebeck bezeichnen, der aus Sicht eines Unternehmers über die Höhen und Tiefen der Rohstoffsicherung und Genehmigungsverfahren berichtete und dabei viele handfeste Tipps für die Zuhörer im Gepäck hatte. Für sein Unternehmen, die Nord-Moräne Kieswerke GmbH & Co KG in Krauchenwies bei Sigmaringen, mussten im Jahre 2008  81 Ordner Antragsunterlagen den Besitzer wechseln. Die Bearbeitungszeit war ungewiss. Es kam eine Flut an Stellungnahmen, an „Kiesgegnern“, es wurden Gutachten und Nachuntersuchungen gefordert. 2017, also neun Jahre später, kam mit der Genehmigung das Okay für das Vorhaben. Im Vergleich zu einem früheren Antrag vor etlichen Jahren wurden aus damals sechs Schnellheftern 81 Aktenordner, die „fast nicht in ein normales Auto passten“. „Wir sitzen alle in einem Boot und rudern, wenn auch mal in anderem Takt, in die gleiche Richtung“, ist Schönebeck klar.

Passend war deshalb der Vortrag von Diplomingenieur Helmut Reichelt, der Rohstoffsicherung und Genehmigungsverfahren aus Sicht einer Genehmigungsbehörde, in dem Fall aus der Sicht des Landratsamtes Alb-Donau-Kreis, beleuchtete. Erstaunlich viele Parallelen, wie zum Beispiel die Wichtigkeit eines Generalplaners, zeigten wieder einmal, dass Antragsteller und Behörde sich näher sein können, als es auf den ersten Blick anmutet. Der Vortrag Reichelts im Gesamten machte den Eindruck einer Checkliste für Unternehmen und Behörden, an der schon einige Häkchen gesetzt sind, aber auch viele Punkte noch abgearbeitet und optimiert werden müssen. Daher kann die Branche auch aus dieser Erfahrung und Wahrnehmung von Reichelt Nutzen ziehen.

Alles was Recht ist

Geballte juristische Fachkompetenz in ihren Vorträgen zeigten die Fachanwälte Dr. Winfried Porsch, Dr. Moritz Lange und Dr. Matthias Hangst, die beim ISTE-Kooperationspartner Dolde, Mayen und Partner in Stuttgart als Rechtsanwälte tätig sind.

Über die Grenzen der Steuerung bei Abbauvorhaben durch die Bauleitplanung referierte Dr. Winfried Porsch. Ein praxisnahes Thema, da natürlich schon viele Teilnehmer im Schnittfeld der kommunalen Bauleitplanung und der Fachplanung in Zusammenhang mit der Rohstoffgewinnung  damit konfrontiert waren und deshalb interessiert zuhörten.  „Umweltverträglichkeitsprüfung bei Änderungsvorhaben“ lautete das Thema von Rechtsanwalt Dr. Matthias Hangst, der zum Beispiel darauf hinwies, dass bei einer UVP-Pflicht immer die Öffentlichkeit mitbeteiligt wird und dass eine „freiwillige“ UVP eigentlich gar nicht so ganz freiwillig ist.

Die aktuellen Entwicklungen bei den Ansprüchen nach Umweltinformationsrecht vertiefte Dr. Moritz Lange für die Seminarteilnehmer,. „Wir sitzen tatsächlich alle in einem Boot, wie schon Dr. Christoph Heim zu Beginn des Seminars sagte“, machte Thomas Beißwenger, Hauptgeschäftsführer des Industrieverbandes Steine und Erden Baden-Württemberg e.V.  (ISTE), abschließend deutlich.