Löffingen, 24.6.2025 - Etwa 38 Prozent der Fläche in Baden-Württemberg ist von Wald bedeckt. Viele Rohstoffvorkommen liegen unter bewaldeten Gebieten, die während des Abbaus von Kies, Sand oder Gips befristet umgewandelt werden müssen. Nach dem Abbau wird die Fläche vollständig wieder rekultiviert und aufgeforstet. Wie das geht, zeigt das Beispiel der Kiesgrube Löffingen-Reiselfingen in der Nähe der Wutachschlucht. 60 Interessierte aus Wirtschaft und Verwaltung nahmen an einer Fortbildung der Forstverwaltung Baden-Württembergs und des Industrieverbands Steine und Erden Baden-Württemberg e.V. (ISTE) teil.
Wenn die Nationalelf der Frauen im Juli zur Fußball-EM in der Schweiz aufläuft, spielt sie auf einem Rasen, unter dem der Sand aus Löffingen-Reiselfingen liegt. Von hier, im Südschwarzwald, beliefert das Unternehmen Johann Wintermantel GmbH & Co. KG auch Sand für Fußball- oder Golfplätze, in die nur wenige Kilometer entfernt liegende Schweiz. Noch näher, nur etwa 300 Meter, liegt indessen die beeindruckende Wutachschlucht, die viele Wanderer anzieht. Das Kiesabbaugebiet ist eingebettet in ein Naturparadies. Das Thema „Forstliche Rekultivierung“ lässt sich hier beispielhaft nachvollziehen. Bei einem Fortbildungsseminar des ISTE und Forst BW am 24. Juni 2025 „Forstliche Rekultivierung – Befristete Waldumwandlung und Rohstoffgewinnung“ ging es um rechtliche und technische Fragen rund um den Abbau von Rohstoffen unter Waldgebieten.
Rund 60 Interessierte aus öffentlicher Verwaltung, Forstwirtschaft, Planungsbüros und aus Rohstoffgewinnungsbetrieben aus ganz Baden-Württemberg haben an dem Seminar teilgenommen. Dabei erwartete die Gruppe nach einem Vormittag mit Vorträgen zu den rechtlichen Rahmenbedingungen, Bodenschutzkonzepten oder der Nutzung für Photovoltaik, eine Exkursion in die Kiesgrube Löffingen-Reiselfingen.
Nach Grußworten des Löffinger Bürgermeisters, Tobias Link und von ISTE-Präsident Oliver Mohr, der auch Gesellschafter des Unternehmens Johann Wintermantel ist, erfuhren die Teilnehmer:innen von Lukas Fischer, Referent für Waldpolitik am Regierungspräsidium Freiburg, die forstrechtlichen Rahmenbedingungen für den Rohstoffabbau unter Waldgebieten. Dabei sind enge Grenzen gesteckt. Im Grundsatz gilt der Erhalt des Waldes wegen seiner großen Bedeutung für die wirtschaftliche Holznutzung, für Umwelt- und Naturschutz und als Erholungsraum für die Menschen. Für die befristete Waldumwandlung zum Abbau von Rohstoffen wie Kalk, Gips oder Kies gelten die rechtlichen Grundlagen aus dem Landeswaldgesetz. Der Abbau sollte so wenig Fläche wie möglich beanspruchen und ist grundsätzlich auf 25 Jahre befristet. Nach dem jeweiligen Abbauabschnitt muss die Fläche rekultiviert und wieder aufgeforstet werden.
Photovoltaik auf Abbauflächen
Der Wald muss demnach in seiner vollen wirtschaftlichen und ökologischen Funktion wieder hergestellt werden. Eine ebenfalls befristete Nutzung der rekultivierten, jedoch noch nicht wieder aufgeforsteten Fläche für Photovoltaik-Anlagen ist möglich. Dafür gelten ebenfalls Rückbau- und Wiederaufforstungsverpflichtungen.
Der Vortrag von Thilo Tollkühn, Forstwissenschaftler und selbstständiger Berater aus Hohenfels-Kalkofen, behandelte das Thema Bodenschutz. Vor der Aufforstung müssen Abbaugebiete zunächst aufgefüllt und eine geeignete Bodenschicht aufgetragen werden, wobei etwa die Wasserdurchlässigkeit der Schichten, der Grobbodenanteil und die Zusammensetzung der Substrate zu berücksichtigen sind. Erst danach beginnt die Wiederaufforstung des Waldes, die nach Aussagen der Experten fünf bis sieben Jahre dauert. Von einer gesicherten Wiederaufforstung könne man ab einer Baumhöhe von 2,50 Metern sprechen.
Abbau findet abschnittsweise statt - Von 200 Hektar sind bereits 196 rekultiviert
Bei der anschließenden Exkursion in die Kiesgrube zeigten Stephan Kunz, bei Meichle + Mohr für Rohstoffgewinnung und Genehmigungsverfahren zuständig, André Eickman, Forstbezirksleiter Titisee-Neustadt und Sebastian Hug vom Forstbetrieb Löffingen an vier Stationen die Phasen und Areale der forstlichen Rekultivierung und Wiederaufforstung. Seit 1956 findet hier der kommerzielle Abbau von Kies statt. Dabei wurden bisher insgesamt 200 Hektar Fläche beansprucht. Über 190 Hektar davon sind bereits erfolgreich rekultiviert und teilweise bereits wieder in Wald umgewandelt worden.
Die jüngsten Rekultivierungsflächen sind teils erst seit zwei Jahren in dieser Phase. Rund 3,7 Hektar zählen dazu. Hier wurden über 14.000 Bäume gepflanzt, insgesamt 18 verschiedene Baumarten, darunter Eichen, Kirsche und Spitzahorn. Damit sich die Bäumchen entwickeln können, wird die Fläche eingezäunt. Die Pflege von bereits gesicherten Kulturen übernimmt die Stadt Löffingen.
In einem Waldstück erklärte Sebastian Hug vom städtischen Forstbetrieb den Aufwuchs von Douglasien und Eichen. Während 50jährige Douglasien schon beachtliche Höhen und Umfänge erreichen, sind die Eichen noch deutlich schmaler. Zwar sind die Douglasien finanziell gesehen überlegen, allerdings bieten die Eichen ökologische wertvolle Strukturen und höhere Biodiversitätspotenziale.
Ökologische Nachsorge wird außerdem in den dort angrenzenden sieben angelegten Weihern betrieben. Mit einer Wasserfläche von 2,3 Hektar bieten sie Lebensraum für Amphibien und Libellen. Auch Biber leben hier.
Abgerundet wurde die Exkursion mit einer kurzen Werksbesichtigung. Stephan Kunz erläuterte den Produktionsprozess: Das Gestein wird über ein Förderband auf eine Halde transportiert und über eine Röhre ins Kieswerk geführt, wo es gewaschen, gesiebt und in verschiedene Korngrößen getrennt und verarbeitet wird. Der Kies aus Reiselfingen wird in der Region verwendet, zum großen Teil im Straßenbau.
Mit viel Wissen und neuen Eindrücken für die Teilnehmer:innen ging der Seminartag zu Ende.